(get. 7. 8. 1774 in Kastel bei Mainz, lebte noch 1831 in armseligsten Verhältnissen und ohne festen Wohnsitz, Sterbeort und -datum unbekannt.)
Was ist von ihm geblieben? Ein Trauma. Begegnet bin ich diesem Trauma zuerst im Versuch des Stadtarchivars Karl Wind in Andernach in den 50er Jahren, der eine rühmliche Familiengeschichte der Andernacher von Merings schreiben wollte, dabei auf Franz Joseph Caspar von Mering stieß und die Idee aufgab. Begegnen kann man diesem Trauma in der Haltung einiger amerikanischer Mitglieder der Familie von Mering, die mit uns, den von Merings in Deutschland, nichts zu tun haben wollen. Und man findet dies Trauma in der Heiratsurkunde des Sohnes von Franz Joseph Caspar von Mering, der beim Standesamt angibt, er sei ein „Sohn des abwesenden Franz Mehring, von Gewerbe ein dänischer Feldwebel“, obwohl er es ganz bestimmt besser weiß. Schließlich ist es dies Trauma, das den Genealogen der rheinischen Geschlechter Adolf Fahne veranlasst, die Eltern von Franz Joseph Caspar als kinderlos, „improlis“, zu bezeichnen. Auf diese Weise umgeht er, bewusst oder unbewusst, die Klippe, ein verpfuschtes Leben in die honorigen Stammbäume seiner Geschichte der Kölnischen, Jülischchen und Bergischen Geschlechter aufnehmen zu müssen.
Aber wir sind da, die Nachkommen von Franz Joseph Caspar von Mering. Es hat ihn gegeben, diesen unruhigen Menschen, „5 Fuß 6 Zoll groß, schwarze Haare und Augenbrauen, hohe Stirn, braune Augen, blaße Gesichtsfarbe, höckerigte Nase, gewöhnlicher Mund, breites Kinn mit einem Grübchen, ovales Gesicht, schwarzer Bart“. Getauft war er vom römisch-katholischen Priester am 7. August 1774 in Kastel bei Mainz als legitimer Sohn der Eheleute Franciscus Casparus de Mering et Maria Elisabetha. Mit elf Jahren schon war er verwaist. Von seiner Kindheit und Jugend weiß ich sonst nichts.
Urkundlich ist Franz Joseph von Mering erst wieder fassbar im Jahr 1799, dem „VII. Jahr der Fränkischen Republik“. Da heiratet er vor dem Municipal Agenten im Gemeindehaus von Kirchheim-Bolanden „Anna Maria Ziemerin, Tochter des weyl. Johann Wilhelm Ziemers u. der weyl. Sußanna Adamin“. Dass Anna Maria einer evangelisch-lutherischen Familie aus Kirchheim-Bolanden entstammt, wird nicht erwähnt. Es handelte sich um eine standesamtliche Hochzeit im revolutionären Frankreich, zu dem damals die Pfalz gehörte. Alles geht sehr bürokratisch zu. Beide Ehegatten müssen einen „Geburts Act“ nach ihren Taufzeugnissen vorlegen. Auf die Rechtmäßigkeit der Ehen ihrer Eltern wird ausdrücklich hingewiesen. Vier Trauzeugen werden verlangt. Dann müssen beide „mit lauter Stimme“ erklären, „daß sie sich gegenseitig zur Ehe nehmen wollen“. Daraufhin hat der Agent „im Namen des Gesetzes den Ausspruch gethan, daß Franziscus Josephus Mering und Anna Maria Ziemerin ehelich verbunden sind“.
Niemanden wird wundern, dass Franz Joseph das „von“ in seiner Unterschrift weglässt. 1799 ist es in der Pfalz nicht opportun, als adlig zu gelten. Er schreibt also: Frantz Joseph Caspar Mering. Bei der Geburt seiner beiden Töchter wird er denn auch „der Bürger Franz-Joseph Caspar Mering“ genannt. Von Beruf ist er „Branntwein wirth“. So bezeugt im Jahr 1800, bei der Geburt seiner zweiten Tochter, Anna Johannetta Gertraude. Eine erste Tochter Johannette Maria, vor der Ehe gezeugt, kurz nach der Hochzeit geboren, ist schon verstorben.
Die nächsten vier Urkunden stammen aus der Österreichischen Gesandtschaftskapelle in Kopenhagen. Dort werden zwischen 1803 und 1812 fünf eheliche Geburten Mehring bezeugt, die letzte eine Zwillingsgeburt. Unser Vorfahr wird hier Franciscus Mehring genannt, seine Frau Anna Maria Zimmer. Diese katholischen Taufzeugnisse hat sich Franz Mehring am 23. Oktober 1813, nur vier Tage nach dem Ende der Völkerschlacht bei Leipzig, durch den Gesandtschaftspriester der K. K. Österreichischen Gesandtschaft aus dem Kirchenbuch auf ein Blatt abschreiben und dann einen Tag später dessen Unterschrift durch den Legations-Sekretär beglaubigen lassen. Franz Mehring ist im Begriff, Dänemark zu verlassen. Sein Beruf ist in diesen Taufzeugnissen seiner Kinder nicht angegeben. Später behauptet sein ältester Sohn, der Vater sei „dänischer Feldwebel“ gewesen.
Und das stimmt auch! Im dänischen Census von 1801 wird er namentlich erwähnt. „Frantz Mehring, männlich, 24 Jahre alt, wohnhaft in Copenhagen, Stadtteil Etaten, Pfarramt Landetaten, Adresse Hof-8, Militäretaten, geboren 1777, Mann, verheiratet, Familien-Nr. 452, Matr.Nr.: Danske Livregiment (Sölvgaden) (for, Record Nr.: 2349, Quelle: Bd. 1 Seite 115, Comment: 5. Musquetier Compagnie, verheiratet 1x, Beruf : Caporal.“
Seine Ehefrau wird mit Anne Marie Janette Mehring angegeben, weiblich, 25 Jahre alt, 1776 geboren, verheiratet und seine Tochter Johanette Mehring, 0 Jahre alt, geboren 1801.
Das Alter der beiden Ehegatten stimmt nicht ganz. Franz ist 1774 geboren, also schon 27 Jahre alt, und Anna Maria 1773, also 28. Dass sie ein Jahr älter ist als er, stimmt auffallend. Ob die beiden einen Vorteil davon hatten, sich jünger zu machen, oder ob es bloß ein Übersetzungsfehler ist, lässt sich nicht klären. Leider gibt es keine weitere Volkszählung in diesen Jahren. Und keine Soldlisten einzelner Feldwebel haben sich erhalten.
Das Kind Johanette ist laut dem standesamtlichen Geburtsakt in Kirchheimbolanden am 22. April 1800 geboren. Wenn sie bei der Volkszählung in Kopenhagen wirklich noch kein Jahr alt ist, dann müsste diese Zählung in den ersten Monaten des Jahres 1801 stattgefunden haben. Und dann könnte Franz Joseph Caspar schon mit der 5. Musketier-Kompagnie im Dänischen Leibregiment an der „Schlacht auf der Reede“ in Kopenhagen teilgenommen haben. Die fand am 2. April 1801 statt. Er hätte dann seine Feuertaufe im dänischen Heer bei einer sehr beeindruckenden Schlacht gegen die Engländer erhalten. Natürlich muss es nicht seine erste Schlacht überhaupt gewesen sein. Wenn die anonyme Lebensbeschreibung über ihn im Archiv des Andernacher Hospitals und die Bemerkung im Stambog des Danske Livregiment einen wahren Kern hat, dann war er schon als ganz junger Bursche bei den Berliner Husaren und hatte gegen die französischen Revolutionstruppen gekämpft.
Jetzt, in Dänemark, kämpft er gegen England, dem die „bewaffnete Neutralität“ Dänemarks nicht passt und das die dänische Flotte haben oder vernichten will. Das Stammbuch des Dänischen Leibregiments verzeichnet ihn von 1801 bis 1809 zuerst als Gemeinen, dann als „Caporal“, was dem Rang eines deutschen Feldwebels entspricht. Wenn seine Kinder ihn später „ein dänischer Feldwebel“ nennen, dann erinnern sie offenbar gern den Vater in dieser Position. An sein späteres Leben und Scheitern in Deutschland wollen sie nicht denken.
Die fünf in Kopenhagen geborenen Kinder sind folgende:
Franz Joseph Mehring am 13.6.1803, Wilhelm Mehring am 12.12.1807, Joseph Mehring am 26. 3. 1810, und das Zwillingspaar Franz und Susanna Mehring am 8.4.1812.
1814 kommt Franz Joseph Caspar Mering in seinen Geburtsort Mainz mit 6 lebenden Kindern zurück. Mainz, das sich 1793 der französischen Revolution angeschlossen hatte, ist seit April 1814, seit der Abdankung Napoleons, unter österreichisch-bayrischer Verwaltung. Noch ehe Napoleon im Juni 1815 in Waterloo endgültig besiegt ist, wird Franz Joseph Caspar Mering im Februar 1815 von dieser Verwaltung der Pfalz eingestellt als „Chaussee Bereiter“, das bedeutet: als berittener Kontrolleur für einen bestimmten Abschnitt der Landstraße. Wegen der Verlegung des Arbeitsbezirkes zieht die Familie schon 1815 nach Speyer, wohnt dort im Gelben Bezirk in der Wormser Straße im Haus 249. Dort wird am 5. Februar 1816 das siebte lebende Kind der Merings geboren, vom Vater genannt Maria. Zwei Tage später stirbt die Mutter Anna Maria Ziemer, erschöpft oder, wie ihr Mann schreibt, aus Gram. Sie ist 42 Jahre alt. Und sie weiß wohl schon, dass ihrem Mann ein Verfahren wegen passiver Bestechung droht. Am 7. August kommt Franz ins Gefängnis. Die 7 lebenden Kinder Mering kommen ins Armenhaus von Frankenthal. Die kleinste, Maria, stirbt dort zweijährig.
Nicht von allen überlebenden Kindern habe ich Nachricht. Die Hospitalsverwaltung Andernach notiert, dass Wilhelm nach Brasilien ausgewandert sei und Joseph als Schuster „in der Fremde“ lebe. Von den beiden fehlt mir bis jetzt jede Spur. Aber von Johannetta kenne ich eine Nachfahrin, die mir eifrig beim Forschen im Internet hilft, bei den vielen Kindern meines Vorfahren Franz kenne ich mich gut aus, und über Franz und Susanna, die Zwillinge in Koblenz, berichten ausführlich die Akten der Hospitalsverwaltung Andernach. Einem Nachfahren der Susanna, Reinhold Mering, war ich freundschaftlich verbunden.