4. Ein Bestechungsszenario 1815/1816

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Der Schauplatz ist die Straße von Speyer nach Oggersheim. Das ist eine Entfernung von ca. 25 km Länge. Die Straße folgt dem Rheintal. Der Chausseebereiter Mering war für die ganze Strecke verantwortlich. Mit seinem Pferd ist er auf dieser Straße kontrollierend unterwegs.

End- und Fixpunkt an dieser Landstraße ist der Ort Oggersheim. Dort befand sich eine Waage mit Waagemeister. Fuhrleute, die ihre Wagen überladen hatten und deswegen Spurrillen verursachten, konnten dort hinbeordert und überführt werden. Deswegen war Franz Mering mit dem Waagemeister Johann Bickert gut bekannt.

Der Chausseebereiter war der Chef der anderen. Er setzte die Strafen der Fuhrleute nach einem Katalog fest. Offenbar waren sie gepfeffert. Und ein Drittel des Betrages kam dem Denunzianten zu. Franz Mering erzielte nach der Abrechnung der Renthey Frankenthal[1] beträchtliche Summen an Strafgeldern, im 2. Quartal 1816 allein 100 Franken. Die Wirtschaft am Rhein erholte sich gerade vom Krieg. Die Fuhrleute bemühten sich um Aufträge. Die Firmen wollten sparen. Die Wagen wurden oft überladen.

Sieben Fuhrleute aus Hackenheim bei Kreuznach wurden Franz Mering zum Verhängnis. Ob sie vorhatten, Franz Mering los zu werden, oder ob es ein Zufall war, dass der Domänendirektor Hilgard Verdacht schöpfte, lässt sich nach 200 Jahren nicht klären. Jedenfalls zeigten die Fuhrleute dem Domänendirektor in Speyer, für den wahrscheinlich die Last Eisen bestimmt war, die sie mit sich führten, den Zettel, den Franz Mering ihnen in Oggersheim gegeben hatte. Auf diesem Zettel stand:

„Gewogen und gestraft jeder mit 55 Franken in Oggersheim, können also frey passiren, den Straßenwarten zur Nachricht. Oggersheim den 15 ten July 1816.

Unterzeichnet Mering“

Die Fuhrleute behaupteten aber, insgesamt nur 4 Gulden bezahlt zu haben. Der Domänendirektor ist empört. Er möchte wissen,

„wie es zugeht, daß man mit vier Gulden eine Strafe von 385 Franken berichtigen kann.“

Der Begriff der Bestechung steht sofort im Raum.

Aber der Domänendirektor will sicher gehen, ehe er eine Anzeige macht. Er schickt den Rentmeister Lehmann von Frankenthal nach Oggersheim zum Waagemeister Bickert, um „persönlich das Register des Waagmeisters einzusehen, und zu konstatieren, auf welche Weise der obige Gegenstand darinn eingetragen ist.“

Das Protokoll des Rentmeisters Lehmann ist wie der Zettel meines Vorfahren Mering leider nicht bei den Akten, die mir im Landesarchiv Speyer zugänglich waren. Nur der Begleitbrief Lehmanns ist dabei, in dem aber der eigentliche Beweis für die Bestechung fehlt. Ich habe nur die Zusammenfassung dieses Vorgangs im Schreiben des Untersuchungsrichters am Kreisgericht Speyer. Da heißt es, dass Mering und Bickert angeklagt seien

„A. am 15. July 1816 sieben Hackenheimer Fuhrleute, welche dem Gesetze zuwiderhandelten, wodurch die Breite der Räder und die Schwere der zu ladenden Last auf öffentlicher Landstraße bestimmt  sind, und welche zwischen Frankenthal und Oggersheim erwischt wurden, Franz Mering  eine Bestechung von zwey Gulden 36 Kreuzer empfangen, Johann Bickert aber von jedem Wagen eine von zwölf Kreuzer empfangen, darauf die zuwiderhandelnden Fuhrleute losgelaßen und sie nicht dem Gesetz gemäß angegeben zu haben.“[2]

Diese Anklage war dann gar nicht Gegenstand der Verhandlung vor Gericht. Wahrscheinlich hatten sich die Fuhrleute bei der Einvernehmung zu sehr widersprochen.  Aber es sieht so aus, als hätten diese sieben aus Hackenheim bzw. der Domänenverwalter Hilgard, der sie kannte, die Sache ins Rollen gebracht.

Vor Gericht bleibt schließlich nur ein Fall übrig.

„Im Monat Dezember des verwichenen Jahres hohlte Peter Hemmer, Knecht des Müllers Andreas Mattil zu St. Lambrecht, zwanzig Malter Hirsen zu Frankenthal auf einem Wagen mit schmalen Rädern. Zu Oggersheim wurde derselbe von dem Chausseebeamten Mering angehalten der seinen Wagen in Gegenwart des Waagmeisters auf der Brückenwaage wiegen ließ, und ihm drohte, durch die zwei gegenwärtige Straßenwarten die Räder zerschlagen zu lassen.

Auf das Anerbiethen des Knechts, die Sache in der Güte ausmachen zu wollen, fand sich Mering dazu bereit unter der Bedingung, daß er ihm zwei große Thaler, dem Waagmeister Bickert einen großen Thaler, dem Straßenwart der die Wagen wog, sechs und dreißig Kreuzer und einen Trunk Wein bezahle.

Der Knecht unterwarf sich dieser Bedingung, bezahlte die verlangte Summe und für 30 Kreuzer Wein, den er mit Mering, Bickert und dem Straßenwart trank. Da der Knecht nicht Geld genug bey sich hatte, so lehnte er drei große Thaler dazu bei dem Kreuzwirth zu Oggersheim, die er demselben am nämlichen Tag zurückschickte und zu diesem Behuf bey einem Bekannten seines Herrn zu Mutterstadt drei andre große Thaler entlehnte.

Der Knecht fuhr darauf ungehindert mit seiner Fuhre nach Hauß, ohne daß ein Protokoll gegen ihn errichtet, oder er zur gesetzlichen Strafe gezogen worden wäre.“[3]

Dadurch, dass der Knecht die Bestechungssumme zweimal borgen musste, gab es genug Zeugen. Es war klar, dass die Geschäftsleute sich an einen solchen Vorfall erinnerten.  Leugnen half in diesem Falle nichts. Es war offenbar nicht nur dieser eine Fall – aber nur der eine, der sich beweisen ließ. Welcher Fuhrmann gab schon zu, gegen die Vorschriften der Straßenordnung verstoßen zu haben?  

Nur ein anderer Fall erreicht noch die Ebene des Untersuchungsrichters.  

Dabei ist aber Franz Mering nicht beteiligt, sondern nur der Waagemeister Bickert.

„Zu Anfang dieses Jahres kam Peter Elser, Fuhrmann aus Mislach nach Oggersheim, und hatte ebenfalls zu schmale Räder an seinem Wagen. Der Waagmeister Bickert gab ihm gegen eine Erkenntlichkeit von einem Gulden zwölf Kreuzer und einer Maas Wein die Erlaubnis mit seinem Gefährten auf der Landstraße zu fahren, mit dem Bemerken, daß er jedesmal gegen diese Erkenntlichkeit fahren dürfe, daß er jedoch morgens frühe kommen müsse. Nachdem Elser auf solche Art viermal vorbeigefahren war, wurde er das fünftemal, wo er nichts gab, angehalten und zur Strafe gezogen.

In dem Register des Waagmeisters Bickert kommt der genannte Peter Elser nur einmal vor, daß er nämlich am fünften Februar dieses Jahres auf einer Zuwiderhandlung betreten worden, und fünf und fünfzig Franken Strafe bezahlen mußte.“[4]

Diese Szenen auf der Straße zwischen Speyer und Oggersheim in den Jahren 1815 und 1816 beschreiben den Versuch der Behörden, das öffentliche Verkehrsnetz  vor seinen Nutzern zu schützen. Dass der Chausseebereiter unbeliebt war, ist selbstverständlich. Der kontrollierende Beamte ist nie beliebt. Wenn die Fuhrleute die Strafe vermeiden wollten, mussten sie dem Chausseebereiter einen Betrag anbieten, der über dem Drittel der zu erwartenden Strafe lag. Warum die Straßenangestellten trotz der Prämien sich bestechen ließen, sieht man an den aufwendigen Akten auch: der noch junge und in der Pfalz fremde Staat  Bayern blieb oft lange die Gehälter schuldig, erst recht die Prämien für Denunziation. Über den Waagemeister Bickert schreibt der Rentmeister Lehmann: „Übrigens ist der Waagemeister sehr arm und hat eine starke Familie, auf welche ich Ew. Wohlgebohren gütigst Rücksicht zu nehmen bitte.“ Dasselbe hätte er auch über den Chausseebereiter Mering schreiben können.

Die Berichte über die Bestechungsszenen deuten auch an, dass der Wein in den Beziehungen eine gefährliche Rolle spielt. Außerdem ist 1816 das „Jahr ohne Sommer“. Die Ernährungslage ist angespannt, die Stimmung gereizt. Die Bayrische Landesadministration und ihre Straßen- und Fuhrwesen-Polizey hat einen schweren Stand.  

Trotzdem: als Chausseebereiter ist Franz Joseph Caspar von Mering kläglich gescheitert. Am 7. August 1816 wird er verhaftet und eingesperrt. Das Gefängnis war damals im Altpörtel, dem romantischen Turm am Rand der Altstadt Speyer. Merings Frau war am 7. Februar des gleichen Jahres gestorben. Seine verwaisten sechs Kinder im Alter zwischen 15 Jahren und 6 Monaten brachte die Polizei in das Armenhaus in Frankenthal.

 

[1] Landesarchiv Speyer, Domänenverwaltung, Straßen-und Fuhrwesen-Polizey unter Strafen- und Gerichtskosten Best. 94 Nr. 1249

[2] Landesarchiv der Pfalz, Speyer, Best. J 2 Bd 137 Nr. 81 S. 96

[3] Protokoll des Assisenhofes in Zweibrücken vom 14. 3. 1817, Landesarchiv der Pfalz, Speyer, Best. J 2 Bd 4 S. 189

[4] Landesarchiv der Pfalz, Speyer, Best. J 2 Bd 4 S. 189