Familiengeschichte zu erforschen ist mein Hobby. Für gewöhnlich betreibe ich dies Hobby allein. Manchmal habe ich sogar empfunden, dass ich das brauche: etwas, was ich ganz allein und für mich betreibe, gerade, weil ich sonst reich an Beziehungen bin.
Aber natürlich kann man auch ein Hobby nicht ohne Beziehungen betreiben. Zu jedem Archiv gehören Menschen, die es verwalten, jedes Buch hat einen Autor und jede Internetseite ihren Administrator.
Außerdem gehört die Familie nicht mir allein! Das zu behaupten, wäre ja lachhaft! Gibt es stärkere Beziehungen als in der Familie? Ist Blut nicht immer dicker als Wasser? Also muss ich Rücksichten nehmen auf Gefühle, die meine Verwandten haben. Was ich so für mich allein verfasse, sollte niemanden verletzen.
Noch mehr gilt es, Rücksichten zu nehmen, wenn Verwandte von mir selbst Familienforscher sind. Ihr Konzept von Familie muss sich nicht unbedingt mit meinem decken. Stil ist etwas sehr Persönliches. Verwandte Familienforscher könnten über die gleichen Vorfahren ganz anders denken.
Wenn ich in früheren Jahren in den Mailinglisten der "Computergenealogie" verwandte Forscher getroffen habe, so haben sie meistens mit mir nur Daten tauschen oder abgleichen wollen. Das ist manchmal mehr, manchmal weniger geglückt, war aber immer problemlos, oft erfreulich. Aber einmal habe ich mich mit einem verwandten Forscher über den Stil gestritten, in dem unsere gemeinsamen schlesischen Vorfahren des 18. Jahrhunderts darzustellen sind.
In diesem Jahr erst habe ich einen verwandten Forscher kennengelernt, dessen Stil mir genau die Mischung von Respekt und Humor auszudrücken schien, die mir bei der Betrachtung von Menschen in anderen Zeiten und unter anderen Umständen erstebenswert vorkommt. Über unseren gemeinsamen Vorfahren Johann Bartholomäus Krebs hatte er schon vor 1986 einen Text verfasst, wie er besser nicht sein konnte. Deswegen habe ich diesen Text, den ich im Stadtarchiv in der Lutherstadt Eisleben fand, in meinem Artikel über Johann Bartholomäus Krebs ausführlich zitiert. Nur schade, dass ich den Autor damals noch nicht persönlich kannte!
Die Vorstellung, dass es im Leben etwas gibt, was man nur für sich allein betreibt, ist eine Illusion. Immer, wenn wir handeln, sind wir mit anderen verflochten. Immer können wir irren und Fehler machen. Auch auf dem Sektor eines Hobbys wie der Familiengeschichte geht es zu wie im richtigen Leben.