Nach guten Vorsätzen fragte der Reporter einige Menschen, die in Berlin vor dem Brandenburger Tor auf das große Sylvesterfeuerwerk warteten. "Nein," sagten die deutschsprachigen Befragten, "ich will so bleiben, wie ich bin!" Das kam mir doch ein bisschen selbstzufrieden vor, obwohl ich selbst auch guten Vorsätzen misstraue. Aber meine Homepage, finde ich, hat ein Anrecht auf ein paar Anstrengungen meinerseits im Neuen Jahr.
Dass ich nicht mehr so leistungs- und konzentrationsfähig bin wie früher, kann ich nicht leugnen. Nach einem Tag mit Besuchen und häuslichen Arbeiten kontrolliere ich Abends nur noch ein wenig meine Post, beantworte Anfragen oder digitalisiere Fotos, manchmal bessere ich Stammbäume aus. Ein Text, der diesen Namen verdient, entsteht dann nicht mehr.
Trotzdem habe ich drei Texte zum Leben meines Vaters Eberhard von Mering geschrieben und fünf Nachrichten aus jeweils aktuellem Anlass verfasst. Das meiste im ersten Drittel des Jahres! Dann kam dieses wundervolle Frühjahr, der herrliche Sommer und der lange schöne Herbst 2014: wir genossen den Garten und kleine Reisen: Mecklenburg, Schleswig und Kiel, Bernkastel-Kues, Westsachsen, Spreewald und Uckermark. Keine Zeit für den PC und keine Gegenden für Familiengeschichte.
Und doch: kurz nach meinem 76. Geburtstag fasste ich mir ein Herz und rief nach mehr als einem Jahr wieder einmal im Stadtarchiv Hildburghausen an. Direktor Römhild erinnerte sich sofort an mich. Aber er konnte mir wieder keine Hoffnung darauf machen, dass mein Aufsatz "Goethe auf der Jagd im Thüringer Wald" im "Kleinen Universum", der hübschen Archivbroschüre, gedruckt werden könnte. Es gab einfach kein Geld dafür. Auch nicht nach nunmehr sechs Jahren Wartezeit!
Meine Bindung an das Hildburghäuser Stadtarchiv ist nicht willkürlich. Mein Vorfahr Wolffgang Nicol Eberhardt war Schulmeister in Altenfeld im Thüringer Wald, gleich auf der nördlichen Seite des Rennsteigs. Als ich im Dorf nach seinen Spuren suchte, erzählte mir ein sehr betagter Heimatforscher von einer Zeichnung, die dieser Schulmeister Eberhardt 1776 angefertigt habe und die immer im Flur des Altenfelder Pfarrhauses an der Wand hing. Seit der Wende sei sie weg! Als der alte Mann mich vertrauenswürdig fand, schenkte er mir ein Schwarzweiß-Foto dieser Zeichnung. Sie stellt einen barocken Jagdschirm dar, wie er zu einer "Deutschen Jagd", dem sogenannten "Eingestellten Jagen", erforderlich war: ein Pavillon mit vielen Fenstern und dahinter Laufgittern und "Lappen" für das Wild. Und darunter eine schön geschwungene umfangreiche Unterschrift, die die hochadeligen Jagdteilnehmer aufzählt.
Mein Jagdtrieb erwachte. Die Zeichnung konnte doch nicht weg sein! Sie war es auch nicht, war bloß zu gut verwahrt worden im Pfarrarchiv Neustadt am Rennsteig. Und es ließ sich regeln, dass die Jagdzeichnung ins Stadtarchiv Hildburghausen kam, denn sie beurkundete eine Veranstaltung der Hildburghäuser Herzogsfamilie. Das Pfarrhaus war, wie so oft, nur der Zufluchtsort für dieses Stück Kultur gewesen.
Dass die Zeichnung im Archiv liegt, ist ja gut. Aber meine Forschungen zur Bedeutung der Zeichnung waren immer noch Manuskript! Wo könnten sie gedruckt werden? Der Druckort sollte nach meinen Vorstellungen unbedingt im Umkreis des Thüringer Waldes liegen.
Direktor Römhild empfahl mir das Heineberger Jahrbuch des Museums Kloster Vessra und der Direktor dieses Museums empfahl mir "Familie und Geschichte, Hefte für Familiengeschichtsforschung im sächsisch-thüringischen Raum". Das ist zwar nicht ganz so intim wie "Das kleine Universum" des Hildburghäuser Archivs. Aber dafür erreicht die Zeitschrift vielleicht mehr Leser? Ende August schrieb ich mutig an den Herausgeber, Herrn Günter Kriependorf. Und erhielt eine positive Antwort.
Von daher blicke ich hoffnungsvoll ins Jahr 2015. Familie und Geschichte – das ist doch genau mein Anliegen. So wie mein Leben als Kriegskind Teil der Geschichte ist, so standen alle meine Vorfahren, ob in Westfalen oder Thüringen, in Lothringen oder in Großpolen im Bann der Geschichte – ausgeliefert, anteilnehmend, mitwirkend, sich zur Wehr setzend – manchmal Opfer, manchmal Täter, meistens Mitläufer, ab und zu Außenseiter.
Die Leser dieser Homepage können meinen Text "Goethe auf der Jagd im Thüringer Wald" natürlich jetzt schon genießen. Aber sie werden zugeben: ohne das Bild vom Jagdschirm ist die Geschichte nicht vollständig. Deswegen fiebere ich dem Druck entgegen.
Ein gutes Jahr 2015 allen meinen Lesern und jetzigen und zukünftigen Korrespondenten.