Am 7. August 1816 wird Franz Joseph Caspar von Mering, damals unter dem Namen Franz Mering, in Speyer verhaftet. Ob man ihn aus seiner Wohnung in der Wormser Str. Nr. 249 im Gelben Viertel, vor den Augen seiner 6 Kinder, gefangen nahm - oder eher von der Landstraße abführte, wo er als Chausseebereiter in Uniform und bewaffnet Dienst tat, ist nicht überliefert. Er wird verhaftet und im Altpörtel, dem damaligen Gefängnis, eingesetzt.
Der Staat, der ihn in Untersuchungshaft nahm, war das Königreich Bayern. Seit dem 14. April gehörte die ehemalige Kurpfalz, das linksrheinische Gebiet, endgültig zu Bayern. Das war eine Folge des Wiener Kongresses. Für den Häftling Mering bedeutete es eine Verlängerung der Haft. Denn am 1. August 1816 wurde das für die bayerische Pfalz zuständige Appellationsgericht von Kaiserslautern nach Zweibrücken verlegt. Dieser Umzug verzögerte die Beweisaufnahme.
Franz Mering beteuerte seine Unschuld. Er schrieb an seinen Vetter, den Kölnischen Hofrat Friedrich von Mering in Andernach:
„Arrest Hauß Speier den 6 ten 9ber 1816
Hochgeehrtester Herr Vetter!
Ich sitze fälschlich angeklagt 5 Tlr Bestechung genommen zu haben, seit dem 7t Aug. im Kerker in Speier, bin krank, elend, man hat mich von Allem entblößt. Meine Frau ist aus Kummer gestorben, und meine Sechs arme Kinder sind im Armenhauße zu Frankenthal da sie aber gut erzogen werden wie ich von Andern höre. Wollen Sie mich in den elendesten Tagen meines Lebens unterstützen, so laßen Sie unter folgender Adreße ihre Briefe hierher gelangen. Ich werde nächstens von hier nach Zweybrücken abgeführt um dort gerichtet zu werden.
Mering
Adresse: S. Wohlgeboren Herrn Frei, Arrestverwalter in Speier
PS: Bey Gott kann ich die Möglichkeit nicht denken, warum Sie mich verlaßen wollen. Sie wißen doch zu welchen Opfern Sie mich rechnen können. Mein Herz bluthet bey diesem Gedanken. Verschaffen Sie mir doch meine zu gut habende Intressen aus Kölln, denn ich bekomme nirgends Antwort und seyn Sie versichert daß ich nie aufhören werde Sie dennoch hochzuschätzen; Versüßen Sie mir doch so viel möglich mein unverschuldetes Unglück.“
Antworten von Friedrich von Mering habe ich nicht gefunden. Der Nachlass von Franz Mering ist sicher verloren. Wenn der anonyme Detektiv, der nachher für die Stiftung des Andernacher Hospitals tätig war, auch schon für Friedrich gearbeitet hat, so konnte Friedrich kaum Mitleid haben. Nach des Detektivs Recherchen war die Mutter von Franzens Kindern die entlaufene Ehefrau eines andern, gar nicht mit ihm verheiratet, er von Jugend auf liederlich, hatte sich in Dänemark nur herumgetrieben, nie wirklich gearbeitet, ein heilloser Trinker. Dass er nun im Gefängnis saß, geschah ihm ganz Recht.
Die Bayrische Pfalz, geschult an Napoleons Code Civil, ging gerechter mit ihm um. Zwar konnte sie nicht dulden, dass die Angestellten des Staates sich bestechen ließen, und sie war auch recht umständlich, weil sie sich gerade erst neu organisieren musste. Aber sie versuchte die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben waren, in Verhören der Kläger zu prüfen und verwarf diejenigen, die nicht ausreichend belegt waren. In einer ersten Verhandlung in Zweibrücken am 12. November 1816 wurde festgestellt, dass hinreichend Verdachtsgründe für eine Gerichtsverhandlung vorlagen[1]. Georg Friedrich Rebmann persönlich führte diese 1. Verhandlung, er, der begeisterte Demokrat, der das moderne französische Gerichtswesen mit Geschworenen und öffentlichen Verhandlungen schätzen gelernt hatte. Diese Anklageschrift wurde Mering zugestellt, so dass er Gelegenheit zum Einspruch hatte. 24 Stunden später wurde der Gefangene von Speyer nach Zweibrücken verlegt in das dortige Asissengefängnis.
Darauf folgte wieder eine lange Zeit des Wartens. Ob Mering wirklich selbst, wie es 1817 heißt, durch seine Briefe und Proteste den Fortgang der Verhandlung behinderte, kann ich nicht nachprüfen. Schließlich am 14. März 1817 trat das Gericht erneut zusammen, um über Schuld oder Unschuld zu entscheiden.[2] Der Generaladvokat hat inzwischen den Vorwurf der 7 Fuhrleute aus Hackenheim vom 15. Juli 1816 fallengelassen – anscheinend eignete sich diese Geschichte doch nicht für eine Verurteilung. Der 3. Vorwurf, der sich gegen den Waagemeister Johann Bickert allein richtete, fiel während der Verhandlung bei den Geschworenen durch. So wurden die beiden Angeklagten, der Chausseebereiter Mering und der Waagemeister Bickert, wegen eines einzigen Vergehens bestraft. Das war die Bestechung durch den Knecht Peter Hemmer vom Dezember 1815, wo dieser Fuhrmann sich die drei Taler zweimal bei Kunden seines Herrn, des Müllers Andreas Mattie, leihen musste. Dass Franz Mering sein Register dieser Zeit verloren hatte und in dem Konzept, das er vorwies, gerade die entsprechenden Tage fehlten, machte zusätzlich einen schlechten Eindruck. Die Geschworenen hielten beide, Mering und Bickert, der passiven Bestechung für schuldig und das Richterkollegium schloss sich dieser Meinung an.
Auf Bestechung im Dienst stand eine entehrende Strafe. Zusätzlich zu einer Geldstrafe von 200 Franken und den Gerichtskosten sollten beide am Pranger stehen. Aber am 18. März stand nur Johann Bickert am Pranger. Das ist durch das Gerichtsprotokoll nachgewiesen. Franz Mering kämpfte noch um seine Bürgerrechte.
Ob er hierbei durch seinen Vetter Friedrich unterstützt wurde, kann ich nicht beweisen. Es ist aber möglich. Die Entehrung des Namens Mering in Zweibrücken konnte dem reichen Mann in Andernach nicht gleichgültig sein. Nach den Korrespondenzregistern des Appellationsgerichtes Zweibrücken mit der kgl. Baier. Landesregierung am Rhein[3] bemühte sich der Generaladvokat Koch persönlich um seine Begnadigung. Am 4. Juli 1817[4] schreibt Koch:
„Bereits am 28. April des Jahres hatte ich die Ehre unter Nr. 1236 F das Gnadengesuch des Franz Mering v. Speier nebst der darauf Bezug habenden Beratschlagung des K. Revisions Gerichtes und der Prozedur zu übersenden.
Franz Mering der durch die dazwischen gekommene Cassation und der dadurch erfolgten Verweisung an die nächste Assise seine Gefangenschaft sehr verlängert sieht, flehet eine hohe K. Regierung an, die Entscheidung zu beschleunigen und hofft dass die freilich durch seine angewandten Rechtsmittel und sein Gnadengesuch sehr ausgedehnte Gefangenschaft ihm nebst der bereits erfolgten Dienst-Entsetzung als Aequivalent für die Entziehung der Bürgerrechte und der Ausstellung angerechnet werden möge. Dies ist der Inhalt mehrerer Briefe, die derselbe täglich an mich schreibt.“ Und am 14. Juli 1817 [5] heißt es dann:
„In der Anlage habe ich die Ehre Ew Abschrift des Rescripts der K. Regierung vom 4. Juli d.M. die Begnadigung des Chaussee Bereuters Mehring betr. zur geeigneten Maßnahme zu übersenden.“
Das verstehe ich so, als sei die Begnadigung aus München erfolgt und die Landesregierung muss sie nun in die Tat umsetzen. Wenn das richtig ist, müsste Franz Joseph Caspar von Mering von da an wieder ein freier Mann gewesen sein – eventuell sogar mit allen Bürgerrechten, da er ja nicht am Pranger gestanden hat.
Leider habe ich das Begnadigungsschreiben selbst nicht finden können. Das Original hätte man ja dem Verurteilten geben müssen. Kopien in den Behörden fehlen. Ich habe einen Bericht gefunden, dass der Bayrische König im Jahr 1817 viele Straffällige in der Pfalz begnadigt habe, weil er fand, dass die Verhältnisse im Jahr zuvor, dem Jahr ohne Sommer, so erbärmlich waren, dass die einfachen Volksgenossen sich nur mit Betrug und Diebstahl am Leben erhalten konnten. Vielleicht war es also ein pauschales Begnadigungsschreiben und galt für eine ganze Reihe von Personen.
Frei war er also wieder, der ehemalige Chausseebereiter. Aber was macht man mit der Freiheit, wenn man keine Arbeit findet? Der Beruf beim Staat war versperrt, und überall sonst herrschte Arbeitlosigkeit. Seine treue Frau war tot. Die Kinder waren von ihm enttäuscht. Der anonyme Detektiv der Hospitalsverwaltung in Andernach behauptet von Franz Mering: „nachdem er nun von dieser Strafe befreit trieb er sich mehrere Jahre im Reich herum, wurde zuletzt durch Vermittlung guter Freunde als Grenz-Aufseher nahe bei Dierdorf an der Herz. von nassauischen Grenze angewiesen; die entführte Frau des Mannes aus Berlin in die drückende Noth versetzt, gewahrte seinen Aufenthalt und folgte ihm dahin. In dieser Zwischenzeit hatte der Franz Joseph mit einer andern Person ebenfalls ein Mapf (?) und Näherin alda gelebet, vorgebend dahaben Kinder mit ihr zu zeugen und verheirathet zu seyn. Da nun die Mutter von 6 Kindern von ihm nicht anerkannt wurde entdeckte selbe der K. Regierung zu Coblenz, dessen früheres Vergehen und wurde nach den Gesetzen cassiert. Von dieser Zeit an hat er keinen festen Aufenthaltsort mehr gehabt.“ Ob an den Umständen dieser letzten Berufstätigkeit etwas Wahres ist, konnte ich nicht ermitteln. Ein Grenzübergang ins Herzogtum Nassau hat bei Dierdorf wohl nur kurz bestanden, zwei Grenzsteine erinnern daran. Akten konnte ich nicht finden. Die Mutter von Franzens 6 Kindern war längst tot, Anna Maria Ziemer hat ihren Mann bestimmt nicht verraten. Aber dass er zuletzt keinen festen Wohnort mehr hatte – dafür spricht alles.
[1] Landesarchiv der Pfalz, Speyer, Best. J 2 Bd 4 S. 189
[2] Landesarchiv der Pfalz, Speyer, Best. J 2 Bd 137 Nr. 81 S. 96
[3] J2 Bd. 385: vom 4. Juli 1817 -1818 Feb. 16
[4] G Nr. 1473
[5] G Nr. 1498