Veröffentlicht in: "Kein der schlechtesten Oerter einer", Beiträge zur Geschichte der Stadt Wipperfürth, Hrg. Heimat- und Geschichtsverein Wipperfürth e.V., Red. Erich Kahl, Lindlar 2006
Am 9. Mai 1722 hatten die 24 Kapitulare des Kölner Domkapitels einstimmig einen Stellvertreter und designierten Nachfolger für den Erzbischof in Köln gewählt. Es handelte sich um den 22jährigen Clemens August von Wittelsbach. Papst, Kaiser und bayrischer Kurfürst waren erleichtert. Den Papst beruhigte, dass die Nachfolge geregelt war. Der Kaiser war zufrieden, dass der neue Kölner Kurfürst aus einem Fürstenhaus des Deutschen Reiches stammte. Und der bayrische Kurfürst Max Emanuel wusste damit seinen jüngsten Bruder gut versorgt. Dass Clemens August gar nicht Priester werden wollte, war nicht so wichtig. Seinem Onkel Joseph Clemens war es ebenso ergangen, trotzdem war er 45 Jahre lang im Amt gewesen. Nun aber schienen dessen Tage gezählt zu sein. Ein Wechsel stand bevor.
Am 20. Mai 1723 erklärt sich Kurfürst Carl Philipp von der Pfalz-Neuburg, der Herzog von Jülich-Berg, gegenüber seinem Schultheißen von Steinbach damit einverstanden, dass die "zum filial Kirch am Creutzberg gehorige Länderey Kirchsp. Wipperfürth, Ambt Steinbach" von der Gemeindesteuer befreit werde. Am 23. Juni wird der Grundstein zur Kirche durch den Wipperfürther Vikar B.M.V. Heinrich Mohr gelegt. Am 28. Juli wird in Lindlar in Anwesenheit des kurfürstlichen Schultheißen Jacob Diderich von Litz und zweier Zeugen die Befreiung von der Gemeindesteuer vollzogen. Eine große Anzahl Nachbarn aus der Gegend, kenntlich an ihren Herkunftsnamen wie Scheweling, Hackenberg, Kopperberg, zum Holl und Platzweg sind zugegen. Die Landleute unterschreiben die Urkunde selbst oder, soweit sie des Schreibens nicht kundig sind, berühren sie "handtastlich" den Arm dessen, der an ihrer Stelle unterschreibt. Am 24. August desselben Jahres bestätigen vier Geschworene, nämlich Johann Wilhelm Beysebach genand Winkhoff, Hanß Jacob Wedding, Christian Balve und Johannes Rittershauß, dass die Gemeinde Wipperfürth hundert Reichstaler vom Kölner Domherrn Heinrich von Mering richtig erhalten habe zum Ersatz für die Steuer. Am 22. Dezember setzt der Generalvikar de Reux im Namen des Erzbischofs von Köln den Priester D. Johannes Weyerhoff zum Deservitor an der neuen Kirche ein. Und am 24. Januar 1724 bestätigt Hans Jacob Wedding, dass ihm die im vorigen Jahr ausgemachten 200 Goldgulden zu je vierzig Stüber für eine Wiese, einen Ort Busch und zwei Malterscheidt Land "von H. Vicario Henrico Mohr nahmens Ihro hochwürden Thumbherrn von Mering" voll ausgezahlt wurden. Zu diesem Zeitpunkt ist bereits "darauf würcklich die newe Kirch aufferbaut". Sogar die "geistliche Behausung" ist fertig, zu der Wedding einen Fahrweg über sein Grundstück für alle Zeiten genehmigt.
Am 13. November 1723 starb Joseph Clemens von Wittelsbach nach 45 Regierungsjahren. Was auch immer von dem Regierungsantritt seines gänzlich unerfahrenen Neffen Clemens August befürchtet werden konnte – die Familien-Stiftung Mering am Kreuzberg war ge-sichert.
Der, der da so kompetent und zielstrebig in den Grenzen des Kirchspiels Wipperfürth handelte, war ein Kölner. Er hieß Heinrich von Mering, war 54 Jahre alt, Mitglied des Dom-kapitels in Köln, Kanonikus an St. Ursula, Propst von St. Gertrud in Augsburg und Hof-gerichtspräsident der geistlichen Regierungs-Abteilung des Kurfürstentums. Er war am 21. Dezember 1667 getauft im Kirchspiel St. Columba als Sohn des Mediziners Dr. Theodor Mering und der Anna Catharina Linden. Anna Catharina Linden aber war keine Kölnerin. Sie stammte aus Wipperfürth.
Über Anna Catharina Linden sind leider nur wenige Daten bekannt. Nach einhelliger Meinung der Kölner Genealogen war sie die Tochter von Adolph Linden, der zwischen 1615 und 1622 als Ratsherr bezeugt ist. Er war mit Catharina Düssel verheiratet, einer Nichte des Wipperfürther Ratsherrn und Bürgermeisters Peter Düssel. Das Ehepaar Linden hatte 1622 der Stadtkasse ein Kapital von 350 Goldgulden zur Bezahlung der Kontribution an die spanischen Soldaten vorgeschossen. In diesem Jahr war Adolph Linden "abgestandener Richter", das heißt wohl, im Jahr zuvor war er Richter gewesen. Dann dürfte er 1620 Bürgermeister gewesen sein. Ob Catharina Düssel die Mutter von Anna Catharina Linden war, weiß ich nicht. Wenn ja, war Anna Catharina schon nicht mehr ganz jung, als sie am 18. April 1664 in der Kirche St. Nicolai in Wipperfürth den 33jährigen Dr. Theodor Mering heiratete. Der spätere Stifter von Kreuzberg ist ihr einziges Kind. Am 7. Juni 1682 wurde sie in Wipperfürth begraben. Im selben Jahr wurde Heinrich, fünfzehn Jahre alt, an der Kölner Universität immatrikuliert.
Eine gewisse Neigung zum Landleben haftet jedem Großstädter an. Das Köln des 17. Jahrhunderts, Reichsstadt und zugleich Sitz des Erzstifts, war laut und schmutzig. Eine Zuflucht in ländlicher Umgebung zu haben war wünschenswert. Vielleicht lebte Anna Catharina Linden auch als Ehefrau Mering mit ihrem Sohn überwiegend auf einem ihrer Landgüter. Die Geburt Heinrichs hatte allerdings in Köln stattgefunden. 1667 herrschte eine Pestepidemie. Als Mediziner durfte Theodor zu Pestzeiten Köln nicht verlassen. Möglicher-weise deshalb war Anna Catharina in der Metropole niedergekommen.
Eheschließungen im 17. Jahrhundert waren keine Liebesheiraten. Auch die Ehe zwischen Theodor Mering und Anna Catharina Linden war durch Werber vermittelt worden. Aber wer hat geworben – das heißt, wer von den Lindens hat einen Mering gekannt?
Infrage käme der Kirchenjurist Adolph Linden, den die Kinder Theodor Merings später ihren Onkel nennen. Kanoniker an St. Aposteln wurde Linden zwar erst 1667 als Nachfolger des Kanonikers Krebsbach. Doch kann er während seiner Ausbildungszeit für das Domkapitel gearbeitet haben, in dem der ältere Henrich Mering, Doktor beider Rechte, seit 1658 Domherr war. Der mag damals für seinen 1662 aus Rom zurückgekehrten jüngeren Bruder, den Mediziner Theodor, eine passende Partie gesucht haben. Die Professoren-Praebende erhielt der junge Mann nämlich erst 1668. Für seinen Einstand an der Universität brauchte er Geld. Das könnte aus der Wipperfürther Mitgift stammen. Die Ratsfamilie Linden in Wipperfürth ihrerseits wusste einen promovierten Mediziner und die Beziehung zur Universität der nahen Großstadt zu schätzen.
Eine andere Möglichkeit gibt es über die Familie Düssel. Eine Christina Düssel, Tochter aus Peter Düssels zweiter Ehe, war die Frau des Hofrats und Präsidenten des erzbischöflichen weltlichen Gerichts Johann Peter Quentel. Ihr gemeinsamer Sohn, Thomas Quentel, geboren 1629, war seit 1662 Domherr in Köln wie Henrich Mering. Diese bürgerlichen Domherren hatten durch die praktische Arbeit in der Verwaltung des Erzbistums viel miteinander zu tun, da die hochadeligen Mitglieder des Domkapitels oft abwesend waren. Und auch die Familien Mering und Quentel waren schon entfernt miteinander verschwägert. Bei der Suche nach nützlichen Ehebündnissen konnten sie sich durchaus beraten. Die Menschen damals verfügten über ein empfindliches Gedächtnis für Verwandtschaft. Die Sippe war das soziale Netz.
Natürlich habe ich mich oft gefragt, ob die Familie Mering auch vor dieser Heirat 1664 eine verwandtschaftliche Beziehung nach Wipperfürth hatte. Friedrich Everhard von Mering, ein Urgroßneffe, behauptet, schon der erste Domherr Mering sei "in der Gegend begütert" gewesen. Doch führt er keine Belege an. Verlockend ist es zu denken, dass des älteren Henrich Mutter, die in den Kirchenbüchern Kölns Margareta Hoheborn oder Hochgeboren heißt, eigentlich eine Hohenbuchen gewesen sein könnte. Aber das stimmt wohl nicht. Die Trauung von "Theodor Mering, doctor", und Anna Catharina Linden in St. Nicolai am 18.4.1664, bezeugt von Johann Bitter, Consul et Judex, und Christian Kaufmanns, ist das älteste urkundliche Datum, das die Merings an Wipperfürth bindet. In einer Glocke, die bis heute im Turm der Kirche am Kreuzberg hängt, findet das sinnfälligen Ausdruck. Heinrich von Mering hat sie 1723 in Köln gießen lassen und mit dem Lindenschen und dem Meringschen Wappen geschmückt.
Stiftet also der Priester Heinrich von Mering die Kirche am Scheveling als treuer Sohn seiner leiblichen Mutter? Wenn ja, so hat er dies Motiv sorgfältig verborgen. In seinem Gebetzettel für die neue Kirche erwähnt er nur seinen Vater und dessen zweite Frau Margaredchen von Grundtinger, in seiner Erklärung zur Kapitalienliste gibt er nur seinen Paten und Onkel väterlicherseits, den älteren Domherrn Henrich Mering, als Anreger der Stiftung an. Und seine Testamentsvollstrecker, der Kanonikus von St. Severin namens von Jabach und der Hofrat und Syndicus Stoll, erwähnen nur die gute Ortskenntnis und die geistliche Be-kümmernis des Stifters um die verstreuten Katholiken am äußersten Rand der Pfarrei Wipperfürth. Warum der Kölner Priesterherr sich zur Stiftung einer neuen Kapelle und warum für dies Fleckchen Erde entschied, scheint mir aber des Nachdenkens wert. Unter unserm Nachdenken entsteht erst Geschichte. Das gilt für die Familiengeschichte der Merings wie für die Regionalgeschichte von Wipperfürth.
Viele von uns gehen davon aus, dass die Menschen früher ganz anders waren als heute. Manche denken sie sich geringer: dann gilt ein Priester im Spätbarock mit seinen Gedanken ans Jenseits als zwanghaft fromm und entsprechend beschränkt. Man glaubt zu wissen, dass er den Protestantismus hasste als den Anfang vom Ende aller Ordnungen und dass er deswegen auf alle Weise versuchte, den Leuten solche Gedanken auszutreiben.
Andere von uns sind von vornherein voller Bewunderung für die heile und fromme Welt vor 300 Jahren. Dann scheint ihnen der Stifter einer Kirche in seinem persönlichen Einsatz für gemeinnützige Ziele über jede Kritik erhaben.
Mit beiden Haltungen machen wir es uns einfach. Wir schauen auf die Perücke und den altmodischen Chorrock. Den Menschen Heinrich von Mering mit seinen Erfahrungen und Hoffnungen nehmen wir nicht ernst. Damit bringen wir uns nicht nur um seine, sondern auch um unsere eigene Geschichte.
Heinrich von Mering hatte in seiner Jugend viel Glück gehabt. 1667 geboren, gehörte er zur Nachkriegsgeneration. Seine Eltern waren noch im Dreißigjährigen Krieg aufgewachsen. Sicher hatten sie den Wunsch, dass er es besser haben sollte. Andererseits waren sie von Gewalterfahrungen gezeichnet. Ihr Vermögen hatte sowohl die Familie Linden als auch die Familie Mering gerettet. Theodor Mering und Anna Catharina Linden konnten ihren Sohn mit Geld ausstatten: er war 1682 an der Kölner Universität immatrikuliert worden unter den divites, den Reichen, und hatte in der geachteten Laurentianerbörse gewohnt. Er hatte Zeit zum Studieren ohne Sorgen. Sein Vater war zu dieser Zeit Dekan der medizinischen Fakultät. Aus Heinrichs eigenem Gebetszettel wissen wir, dass der Vater auch Ratsherr von Köln mit dem Amt des Stimmmeisters war. Sein Onkel mütterlicherseits, Adolph Linden, gehörte seit 1667 zum Kapitel von St. Aposteln, der Patenonkel väterlicherseits saß als Priesterherr im Domkapitel. Heinrich studierte nach dem Grundstudium neben Theologie "beide Rechte", das kirchliche und das weltliche Recht. Das entsprach einer breiten Ausbildung. Damit konnte man Notar oder Syndikus werden, aber auch Priesterkanonikus. Dass Heinrich nicht mit dem Doktortitel abschloss wie Vater und Onkel, war sicher ein Schönheitsfehler. Drückt sich darin Überforderung aus? Immerhin errang er den Titel eines Licentiaten und das musste dann auch genügen. Wahrscheinlich wusste Heinrich von Kind an, dass er zum Nachfolger seines Onkels Henrich bestimmt war.
Das Domkapitel hatte das Recht, sich selbst zu ergänzen. Dadurch fühlte sich jeder Kapitular legitimiert, einen Nachfolger aus der eigenen Familie heranzubilden. So blieben die Familien immer die gleichen, sowohl die hochadligen als auch die acht bürgerlichen. Die Namen wechselten nur insoweit, als auch Söhne von Schwestern an die Stelle ihrer Onkel traten. Henrich Mering selbst war 1658 anscheinend eine Ausnahme gewesen. Die Protektion des Nuntius Fabio Chigi, der jahrelang Henrichs Chef gewesen war, ehe er Papst Alexander VII. wurde, hatte ihm den Weg ins Domkapitel geebnet. Ob letztlich doch die Verwandtschaft mit den Quentels den Ausschlag gab, kann ich nicht nachprüfen. Henrich mag den Eindruck gehabt haben, dass er den Sitz im Kapitel seiner eigenen Leistung verdanke. Entsprechend selbstbewusst ist sein Gesichtsausdruck auf den beiden überlieferten Portraits. Der jüngere Heinrich blickt anders in die Welt. Er ist der Erbe. Das kann auch eine Last sein.
Zwei Jahre nach dem Tod von Heinrichs Mutter Anna Catharina Linden heiratet der Vater ein zweites Mal. Die Stiefmutter Margaretha Grutings ist eine Witwe Hennings; in ihrer Heimatpfarre, die zur Diözese Trier gehört, wird sie mit dem Vater getraut. Der Dispens von den Proklamationen ist im Generalvikariatsprotokoll vom 2. Juli 1684 erwähnt.
Heinrich hat diese Stiefmutter vermutlich gekannt, da der Vater als Dekan und Ratsherr meistens in Köln lebte. Sie mag ihm sogar nahe gestanden haben, denn er erwähnt sie in seinem Gebetzettel und es muss von ihrer Hand sogar ein "Schema" der Stiftungskapitalien gegeben haben. Heinrich verdankt der Ehe seines Vaters mit ihr zwei Halbbrüder, an denen er lebenslang großen Anteil nimmt: den 1686 oder 1687 geborenen Johann Friedrich und den laut Vikariatsprotokoll am 25. September 1689 geborenen Tilmann Theodor. Dass es diese beiden Brüder gibt, hat Heinrichs Weg ins geistliche Amt bestärkt. Wäre er der einzige Sohn geblieben, hätte er womöglich heiraten sollen.
Die Krise des Kurfürstentums im Jahr 1688 wird auf den jungen Studenten beider Rechte einen prägenden Einfluss ausgeübt haben. Spätestens dann wird er verstanden haben, dass geistliches Regiment am Rhein ein politisches Spiel ist. Der selbstsichere Onkel Henrich Mering verkündet im Dom als ältester Priesterherr "mit lauter und verständlicher Stimme" die Wahl Wilhelm Egons von Fürstenberg zum neuen Erzbischof von Köln. Aber Kaiser und Papst haben sich für den erst siebzehnjährigen Joseph Clemens von Wittelsbach entschieden! Kurz darauf besetzen kaiserliche und französische Soldaten den Kurstaat. Der Onkel muss mit dem Kardinal von Fürstenberg nach Bonn unter den Schutz Ludwigs XIV. fliehen. Er ist in Gefahr, alle seine Pfründen zu verlieren. Köln ist voller brandenburgischer Soldaten. Man fürchtet den Angriff der Franzosen. Das Kapitel ist geteilt. Damit steht auch Heinrichs Zukunft auf dem Spiel. Ohne Protektion in Köln Priester zu werden, war ein Weg der Armut. Heinrichs Vater kümmert sich um den Kontakt zu Karg von Bebenburg, dem Bevoll-mächtigten des Wittelsbacher Hauses. Die Unterwerfung des Onkels in letzter Minute führt zur Begnadigung am 7. Oktober 1689 und zur Wiedereinsetzung in alle seine Ämter.
Hat Heinrich das mit Erleichterung aufgenommen? Er war noch nicht zum Priester geweiht! Oder hat er es bedauert? Auf jeden Fall folgt er nun der Spur seines Paten. Am 16. Mai 1693 wird er Kanonikus an St. Ursula und am 31. desselben Monats empfängt er die Priesterweihe. Damit ist er ein würdiger Kandidat für den Ersten Stand des Kurstaats, das Domkapitel.
Er kennt schon die meisten der Priesterherren, vielleicht auch einige der Domgrafen. Über seinen Onkel hat er immer Zugang auch zu internen Nachrichten. Dass der Erzbischof Joseph Clemens von Wittelsbach nur widerwillig im Amt ist, gezwungen durch seinen älteren Bruder, den Bayernherzog Max Emanuel, ist kein Geheimnis. Auch dass er immer noch nicht zum Priester geweiht ist und nur selten anwesend in seinem Kurstaat, weiß schließlich jeder in Köln. Verhandlungspartner des Domkapitels ist der "Plenipotentarius" Karg von Bebenburg. Diesen Karg konnte Heinrichs Onkel natürlich nicht leiden. Er erinnerte ihn stets an die peinliche Unterwerfung 1689 vor seiner Heimkehr nach Köln. Aber auch dem jungen Kölner Heinrich konnte Karg gefährlich vorkommen. Vertrat der Kanzler des Fürstbischofs nicht die Meinung, dass ein moderner Staat ein absolutistischer sein müsse? Wollte er nicht die Landtage überflüssig machen, die Stände entmachten? Dabei ging es natürlich um die Steuerbewilligung. Das Domkapitel als Erster Stand hielt daran fest, dass das die Aufgabe der auf dem Landtag versammelten Stände sei. Wenn Karg nun gar die Geistlichen zu Steuern heranziehen wollte, war das ganz und gar gegen die Privilegien der Priesterherren. Heinrich konnte den zähen Kleinkrieg um den Erhalt der ständischen Ordnung mitverfolgen. Was mag er gedacht haben? Fühlte er sich als Mitglied des Adels? War deshalb der Ständestaat für ihn ohne Alternative?
Laut Ratsprotokoll von Wipperfürth fand am 16. August 1696 eine Auseinandersetzung zwischen den Erbgenossen Mering statt. Verhandelt wird offenbar die Mitgift von Anna Catharina Linden. Der junge Priester und Kanonikus an St. Ursula "Herr Heinrich Mering" sichert sich davon die Höfe Felderhof, Stepkeshof, Scherkenbick und Hohenbuchen, während er Kapitalien und Stadthäuser in Wipperfürth den jüngeren noch unmündigen Brüdern aus der zweiten Ehe seines Vaters verkauft. Nach dem Kölner Genealogen von der Ketten ist der Vater Dr. Theodor Mering erst am 6. März 1697 gestorben. Gut möglich, dass er durch ein Testament darauf gedrängt hat, dass die Auseinandersetzung unter seinen Söhnen erster und zweiter Ehe noch zu seinen Lebzeiten erfolgt. Heinrich ist jetzt neunundzwanzig Jahre alt, Friedrich etwa elf und Tilmann sieben. In der gleichen Erbauseinandersetzung, etwa drei Wochen später, wird dem Vatersbruder Henrich ein Kapital von ursprünglich 200 Goldgulden zugesprochen, das noch aus dem Nachlass von dessen Eltern stammt. Theodor und seine Söhne verzichten vollständig darauf. Deswegen kann der Domherr frei darüber verfügen.
Der Form nach handelt es sich bei diesem Kapital um einen Schuldschein, ausgestellt von der Familie Wendt zu Crassenstein, zum ersten Mal bestätigt im Jahr 1653. Das Archiv der Wendts sieht aus wie ein Bankarchiv. Stets haben sie Gelder in Verwahrung genommen, damit gearbeitet und Zinsen darauf gezahlt. Der Wert des Scheins beträgt im Jahr 1696 zweihundertfünfzig Reichstaler, mit Zinsen beläuft sich die Summe auf ungefähr dreihundert Reichstaler. Für die Wendts von Krassenstein ist das eine kleine Summe. Der alte Domherr Henrich Mering macht daraus eine Stiftung.
Das Jahr 1696 ist für das Kurfürstentum wie für die Archidiözese Köln ein Jahr der Beunruhigungen. Im Frühjahr 1696 ist der ständig schwelende Streit zwischen dem Kur-fürsten Joseph Clemens und dem Wortführer des Domkapitels, dem Priesterherrn Dr. Andreas Eschenbrender, heftig aufgeflammt. Natürlich geht es wieder ums Geld. Der Kurfürst glaubt es zu brauchen zum Aufbau einer Truppe, da der Spanische Erbfolgekrieg vor der Tür steht. Die weltlichen Stände finden, das Land habe sich vom Pfälzer Erbfolgekrieg noch nicht erholt und wollen nichts geben. Kanzler Karg kündigt an, ohne Landtagsbeschluss Steuern zu erheben. Das Domkapitel verlangt die Rechnungslegung zu sehen und bei den Musterungen zugegen zu sein. Joseph Clemens soll überflüssige Offiziere entlassen, die Fronarbeiten vermindern. Diese Forderungen beantwortet der Kurfürst am 2. April 1696 von Lüttich aus "mit rechtswidriger und gewaltsamer Steuereintreibung und militärischen Einschüchterungs-versuchen gegen einzelne landständische Adlige". Daraufhin beruft das Domkapitel eigen-mächtig zum 17. Mai einen Landtag ein. Der Eklat ist perfekt. Dr. Andreas Eschenbrender wird durch den Kurfürsten seines Offizialats entkleidet.
Im selben Jahr wird noch einmal in Mainz ein Unionsversuch mit den Protestanten unter-nommen. Die Mainzer Bischöfe von Schönborn sind darin seit Jahren führend. Henrich Mering nimmt im Auftrag des Kölner Kapitels daran teil. Es ist die Zeit, wo der Universal-gelehrte Leibniz sein Reunionskonzept entwickelt und zwischen den verfassten Konfessionen zu vermitteln sucht. Hat Mering in Mainz von der Evangelisch-Lutherischen Synode am 18. Juli in Düsseldorf erfahren? Bei dieser Synode bringen die Inspektoren Emminghausen und Wirth die Klagen von Bürgern aus Wipperfürth und Umgebung vor, die um die ungehinderte Religionsausübung bitten. Die evangelischen Wipperfürther geben an, dass sie 600 an Zahl seien, keine Kirche und keinen Pfarrer hätten. Die Synode verspricht, in der nächsten General-Religions-Konferenz ihrer zu gedenken und nach einem Patronus zu suchen, der ihre Wünsche ihrem Regierungsoberhaupt, dem Kurfürsten von Pfalz-Neuburg vorträgt. Das ist das Jahr, in dem der alte Domherr Henrich Mering das Geld aus dem Erbe seiner Eltern zu einer Stiftung macht und verfügt, dass "darauf empfangene gelder in usum missionis (zum Zweck der Mission) in illis partibus aCatholicis (in jenen nicht katholischen Gebieten) verwandt" werden.
Das Ganze wirkt improvisiert. Eine Hauskapelle hat der Domherr im Gutshaus Engstfeld bei den Herren von Plettenberg gefunden. Und eine zweite findet sich etwas später in Schweinendahl, heute Schwiendahl, bei Lüdenscheid. Selbst besitzt er offenbar kein Gut mit Hauskapelle in der Gegend. Die Wahl der Orte erscheint abhängig von den persönlichen Bekanntschaften des Stifters. Die von Plettenbergs kennt Mering wahrscheinlich seit seinen Tagen in Münster. Haus Engstfeld und Haus Schwiendahl bieten je einen Raum zur Betreuung von Katholiken, die sonst keine Gelegenheit zum Messbesuch haben.
Die Gutsherren der Häuser waren einverstanden, dass in ihren Kapellen sonntäglich die Messe gelesen und Katechismusunterricht gehalten wurde. Sie und ihre Dienstleute profitierten auch davon. Die Franziskaner in Wipperfürth waren bereit, Sonntag für Sonntag einen Pater aus dem Kloster nach diesen recht entlegenen Orten zu entsenden. Dafür erhielten sie den Schuldschein der Wendt zu Krassenstein mit allen Rechten.
Vor dem Kölner Notar Hambach bestätigt Henrich Mering am 29. Mai 1699, dass er "alle in Händen gehabte Briefschaften extradiert" habe und der Konvent der Franziskaner von Wipperfürth nun frei über das Kapital und die aufgelaufenen "Pensionen" verfügen könne. Sicher hat der alte Mann bei der Unterschrift unter diese Urkunde an seine Eltern Hindrich Mering und Margareta Hoheborn gedacht, die im Dreißigjährigen Krieg zweihundert Goldgulden erübrigten und außerhalb Kölns anlegten. Aber von Messen für die beiden oder auch für ihn selbst ist nicht die Rede. Der Verwendungszweck ist eindeutig, dass "darauf empfangene gelder in usum missionis in illis partibus aCatholicis verwandt" werden sollen. Allerdings hält der Stifter sich offen, dass "darüber weiter solle disponiert werden". Das wird wohl vor allem eine Veränderung der Orte betroffen haben.
Diese Art der Stiftung hat nichts Großartiges. Man fragt sich, wie viele Menschen die Kapellen der Gutshöfe fassen konnten und ob sie häufig besucht wurden. Es war, falls wirklich die Gefahr der Konversion unter den Bauern und Hofeleuten bestand, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber die Protestanten in den Dörfern um Wipperfürth hatten auch nichts Besseres als Hausgottesdienste, wenn sie den Weg in die evangelischen Kirchen von Rönsahl oder Halver nicht bewältigen konnten. Insofern entsprach die Stiftung den Umständen. Dazu waren die Franziskaner bekannt für ihre gute seelsorgerliche Einfühlung. Sie gewährten auf Begehren die Sakramente auch denen, die als Ketzer galten. Das war für den älteren Domherrn Mering mit seiner politischen und pastoralen Erfahrung ausreichend. Ich meine, man merkt der Stiftung wenig Engagement an, außer dem, dass er das Geld der Eltern nicht selbst verbrauchen wollte. Für den Marmoraltar um das Gerokreuz im Kölner Dom hatte er jedenfalls viel mehr Mühe und Kosten aufgewendet. Er war alt und müde. Dem jüngeren Domherrn vertraute er die Aufsicht über die Mission der Franziskaner an. Und 1698 übergab er ihm auch den Sitz im Domkapitel.
Der Patenonkel und sein Neffe mögen gehofft haben, dass sich mit frischer Kraft im Erz-bistum etwas ändern ließe, sowohl in der Politik des Kurstaats wie in der geistlichen Leitung der Erzdiözese. Dem jungen Mering haftete nicht wie dem alten der Makel an, 1688 zu den Postulanten des Kardinals von Fürstenberg gehört zu haben. Und er hatte auch mit dem Skandal um den Landtag 1696 nichts zu tun. Von Anfang an konnte sich der junge Kapitular zu Dr. Andreas Eschenbrender gesellen, dem Wortführer des Domkapitels. Er konnte mit ihm nach einem selbständigen Weg suchen zwischen der Abhängigkeit vom Kaiser und der vom Fürstbischof. Ob sein Onkel seinen Einfluss noch geltend machte? Oder lebte er im Ruhestand auf seinem Landgut in Bickendorf bei Köln? Die Höfe bei Wipperfürth waren wohl zu schwer zu erreichen für einen fast Achtzigjährigen. Am 4. April 1700 starb er und wurde im Dom vor dem "Meringschen Altar" mit dem Gerokreuz beigesetzt. Vermutlich jetzt erst fügte der Neffe die Büste seines Onkels dem vorbereiteten Epitaph ein zusammen mit dem Sterbedatum.
Nun war Heinrich von Mering der Senior der Familie, vollverantwortlich im Beruf und auch privat. Doch der politische Horizont hatte sich schon wieder verdüstert. Das Reich mit dem Kaiser an der Spitze wandte sich gegen Ludwig XIV. Der Kurfürst Max Emanuel von Bayern und sein Bruder Joseph Clemens von Köln machten sich hingegen die Ansprüche des französischen Königs zu eigen. Das Domkapitel als Erster Stand des Bistums mitten in der reichsfreien Stadt Köln befand sich in übelster Lage. Deshalb mag Heinrich von Mering aufgeatmet haben, als der immer noch nicht zum Priester geweihte Kurfürst 1703 nach Frankreich fliehen musste. Dass die Wittelsbacher ein Bündnis mit dem Reichsfeind eingegangen waren, wurde nämlich vom Kaiser mit dem Bann geahndet. Ohne den schwierigen Fürsten hoffte das Domkapitel besser regieren zu können. Alle zwei bis drei Tage trat es zusammen. Heinrich von Mering wurde von dem Offizial Andreas Eschenbrender und dem mit der Regierung betrauten Priesterherrn Daemen aufgefordert, mit ihnen am jeweils vorhergehenden Abend die Tagesordnung für den kommenden Kapiteltag vorzubereiten. Welche Ehre! Aber das sollte sich auf die Dauer für den jungen Mann als eine harte Schule in Realität erweisen.
Kaum war der gemeinsame Gegner, der Erzbischof Joseph Clemens, außer Landes, zerbrach nämlich die Solidarität der Stände. Adel, Ritterschaft und Städte ließen sich keineswegs vom Domkapitel führen. Steuern wurden nicht bewilligt oder sollten unbedingt in gleicher Höhe auch von der Geistlichkeit gezahlt werden. Selbst kleinere Unternehmen wie der Wiederaufbau der Nettebrücke bei Andernach und der Versuch, diesen Bau durch Brückengelder zu finanzieren, lösten nichts als Ärger aus. Ein zum Reichstag gesandter Deputierter des Kapitels wurde von den Fürsten und Stadtvertretern nicht anerkannt. Friedensgespräche mit Brandenburg misslangen. Die Kriegsschäden wurden nicht behoben. Bei der Kaiserwahl 1711 wurde dem Kapitel die Teilnahme an der Wahl glatt abgeschlagen.
Unter den Belastungen der politischen Alleinverantwortung zerstritten sich die Kapitulare. Es stellte sich wohl heraus, dass der Kurstaat wie das ganze römische Kaiserreich deutscher Nation auf die Führung durch fürstliche Souveräne zugeschnitten war. Ohne den Fürstbischof konnte nichts funktionieren. Die Jahre der so genannten Administration von 1702 bis 1714 während des Exils von Joseph Clemens waren gezeichnet durch "innere Lähmung und äußere Machtlosigkeit".
Sicher litt Heinrich von Mering unter dem Misserfolg der Regierung, der er angehörte. Die Augen des Domkapitels richteten sich auf die Rückkehr des Erzbischofs. Joseph Clemens unterzog sich endlich den Priester- und Bischofsweihen, weil weitere Dispense des Papstes ausblieben. Aber als er 1714, nach dem Frieden mit Frankreich, nach Bonn zurückkehrte, sah Heinrich von Mering bald, dass die zermürbenden Auseinandersetzungen mit ihm um die ständische Vertretung im Kurstaat von neuem anfingen. Der Alltag des Kapitulars war erfüllt mit kleinlichem Paragraphenstreit um die Kompetenzen. Manchmal muss ihn der Gedanke gestreift haben, in einer verkehrten Welt die verkehrte Aufgabe zu haben.
Auf dem geistlichen Gebiet unter seiner Verantwortung sah es nicht besser aus. Die Diözese Köln war viel größer als der Kurstaat. Dem Domkapitel unterstanden auch in Teilen des Herzogtums Berg die dort lebenden Katholiken. Durch Visitationen versuchte das Domkapitel sich einen Überblick zu verschaffen. Doch kam die sogenannte katholische Reform nur langsam voran. Die Visitationsberichte berichteten trotz aller Bemühungen der Priester von zahlreichen Mängeln in den besuchten Gemeinden. "Im Prinzip, so können wir konstatieren", schreibt Thomas P. Becker in seinem Aufsatz über "Die katholische Reform in den Pfarrgemeinden der Christianität Deutz", "gelang es nicht, die Messdisziplin in der gewünschten Weise in den Griff zu bekommen. Das gilt einerseits für den Besuch der Messe, andererseits für den Branntweinkonsum vor und nach dem Gottesdienst. Ein dritter Punkt, der den Sonntag betrifft, ist die Sonntagsruhe. Auch hier verstummen die Klagen über Arbeit an Sonn- und Feiertagen während der ganzen Zeit nicht." – "Es bedurfte nicht nur reformeifriger Generalvikare und Dechanten, sondern genauso einer starken und präsenten Exekutive, um den Forderungen der Kirche Nachdruck zu verleihen. Genau da liegt in Kurköln das Problem. Das geistliche Fürstentum, klein, verschuldet und durch Kompetenzaufteilung zwischen Erzbischof und Ständen niemals zur "modernen" Staatsform des Absolutismus aufgestiegen, war einfach nicht in der Lage, dem obrigkeitlichen Befehl Respekt zu verschaffen. Die immer wieder auftretende Schwäche der Zentralgewalt, der weltlichen wie der geistlichen, ist der Grund für den langwierigen Prozess und den geringen Erfolg der Reform.". Es sah so aus, als sei dem nicht zu steuern. Es wäre gar kein Wunder, wenn Heinrich von Mering um 1715 amtsmüde gewesen wäre. Manchmal mag er schon an seinen Nachfolger gedacht haben.
Das sollte sein Halbbruder Tilmann Theodor Mering werden. Er war 1689 in der zweiten Ehe seines Vaters geboren, war unter Heinrichs Obhut Priester geworden und hatte 1711 als Nachfolger von Heinrichs Onkel Adolph Linden ein Kanonikat an St. Aposteln übernommen. Aber Heinrich musste erleben, dass Tilmann schwer erkrankte. In der Nacht vom 5. auf den 6. Januar 1717 starb der junge Mann in Heinrichs Wohnung in der Trankgasse am Dom. Vorher hatte er den älteren Bruder "wegen der ihm Jederzeith erwießenen fast Vätterlichen affection" testamentarisch zum Erben eingesetzt. Zu dem Schmerz, einen geliebten Bruder zu verlieren, kam die Enttäuschung. Heinrichs Sitz im Domkapitel würde der Familie verloren gehen, denn einen anderen jungen Verwandten, der Geistlicher war, gab es nicht.
Dazu kamen schlechte Nachrichten aus der Mission des Onkels. Haus Engstfeld und Haus Schwiendahl waren an Protestanten verkauft worden. Die Franziskaner hatten die Orte verloren, wo sie die Messe lesen konnten. Die Mission aus der Stiftung seines Onkels war "nicht gehalten und still gestanden."
Mit wem konnte Heinrich von Mering seine traurigen und sorgenvollen Gedanken teilen? Sein einziger lebender Bruder, Johann Friedrich von Mering, war Offizier "beym löblichen Ogilvischen Regiment zu Fuß", das ist das so genannte Deutsche Infanterie-Regiment, eines der Infanterie-Regimenter der Donaumonarchie. 1716 hat es unter Prinz Eugen von Savoyen an der Schlacht von Peterwardein teilgenommen, im Frühjahr 1717 rückt es nach Serbien ein, im Juni wird es die wichtige Schiffsbrücke über die Donau schützen, die es der Hauptarmee von 100 000 Mann erlaubt, Belgrad aus nächster Nähe zu belagern, und am 20. August 1717 wird das Deutsche Infanterie-Regiment seinen Teil dazu beitragen, dass Prinz Eugen die Stadt von den Türken befreit. "1718 kam das Regiment nach Sicilien, focht 1719 bei Francavilla, später vor Messina und rückte dann nach Westsicilien". In diesen Jahren konnten die Brüder einander kaum sehen. Sogar der Briefverkehr wird schwierig gewesen sein. Aber vielleicht hätte Heinrich sich dem fast zwanzig Jahre jüngeren Berufssoldaten sowieso nicht anvertraut.
Wie sah es mit den Kollegen aus, den anderen Priesterkanonikern? Natürlich kannte man sich gut. Aber die frustrierenden Erfahrungen der Administration hatten keine Harmonie ge-schaffen. Zu vertraulichen Gesprächen blieb in der Hektik der zahlreichen Verpflichtungen kaum Zeit. Vielleicht deshalb wandten sich die Gedanken Heinrichs von Mering der mütterlichen Heimat um Wipperfürth zu.
Aus den Jahren zwischen 1717 und 1729 haben sich eine ganze Reihe von Briefen erhalten, die der Vikar des Altars der Seligen Jungfrau Maria in Wipperfürth, Heinrich Mohr, an seinen "Vetter" Heinrich von Mering in Köln geschrieben hat. Mohr ist über die Weddings mit Mering verwandt. Anna Gertrud Hoen, Tochter des erzbischöflichen Kellners in Brühl, eine Kusine des Domherrn, hat 1691 den Bürgermeister von Wipperfürth Wilhelm Wedding geheiratet. Ihre Mutter Christina Mering ist die drei Jahre jüngere Schwester von Henrich Mering dem Älteren gewesen. Vielleicht war die Mutter oder Großmutter des Bürger-meisters Wedding eine geborene Mohr? Der Bürgermeister und seine Frau sind 1717 schon verstorben. Jetzt lebt Hans Jacob Wedding in Wipperfürth. Er ist Schöffe und besitzt Land am Hackenberg, direkt auf der Höhe des Scheveling, an der sogenannten via regia.
Vikar Heinrich Mohr besucht im Auftrag des Domherrn die vier Meringschen Höfe rund um Wipperfürth. Alle sind zu Halbpacht an Bauernfamilien vermietet. In seinen Briefen schildert er die persönlichen Verhältnisse der "Halven", die Erträge der Höfe und ihre Probleme, erwähnt aber auch politische Ereignisse wie Bürgermeisterwahlen und Landtage. Ab 1729 (Heinrich Mohr ist inzwischen zu alt zu dieser Strapaze) übernimmt Johannes Adolf Stepradt, der Vicar St. Petri, diese Aufgabe. Von 1724 an berichtet auch der Missionar Weyerhoff regelmäßig an den Domherrn. Merings Interesse an allem, was in Wipperfürth vorging, muss groß gewesen sein.
Die beiden Testamentsverwalter, Jabach und Stoll, bestätigen diesen Eindruck, wenn sie schreiben: "….wie der selige Testator zu Lebzeiten durch seinen Aufenthalt in seinem Landgut in der Region der Stadt Wipperfürth, wo er jährlich durch einen gewissen Zeitraum wohnte, ausreichende Kenntnis der Ausdehnung der Pfarrei der Stadt Wipperfürth im Herzogtum Berg und in der Archidiözese Köln hatte, und dass jene Pfarrei Wipperfürth sich bis an die Grenze der Grafschaft Mark erstreckt, und dass deren Orte allzu weit von jeder katholischen Kirche entfernt sind, öfter in seinem Gemüt erwog, und dass viele der Verehrer des wahren und orthodoxen Glaubens in der erwähnten Grafschaft Mark mit dem Propheten Jeremia seufzen: Die Armen verlangten nach Brot und es gab niemanden, der es ihnen gebrochen hätte. Diese einst durch ungesunde Häresien aus den katholischen Kirchen Vertriebenen sind wie Söhne ohne Vater, wie eine Herde ohne Hirten zurückgelassen und von daher zerstreut und in erbarmungswürdiger Weise vereinsamt und gezwungen, entweder wie Lämmer mit den Böcken ein und denselben dennoch nicht wahren Stall aufzusuchen, unter offenbarer Gefahr von deren Perversionen, oder wegen der allzu großen Entfernung einer katholischen Kirche zu Hause zu bleiben. Und was am meisten zu beklagen, die Erwachsenen sind nicht imstande, ihre Kinder zu unterweisen, weil sie selbst in den Grundsätzen des orthodoxen Glaubens zu wenig unterrichtet sind und in Zeiten von Krankheit sich nicht zu helfen wissen, so dass sie in der Todesnot gezwungen sind, ohne Führer, ohne Salbung und ohne Viaticum allein vertrauend auf die Barm-herzigkeit des Allmächtigen in die Ewigkeit abzuscheiden, außerdem nicht wenige Christgläubige in der Pfarrei Wipperfürth selbst, die ähnlich allzu weit von der Pfarrkirche entfernt wohnen und entweder wegen ihres Alters oder wegen anderer Schwäche des Körpers oder wegen der Schwierigkeit der Wege, in den Wintertagen Sonntags und an den Festen dem göttlichen Dienst und der Katechese in der Pfarrkirche beizuwohnen und zu ihr ihre Kinder mit den Dienstboten zu schicken verhindert sind, so hat der selige Herr Testator zu Lebzeiten in wahrhaft christlichem Gemüt das Vorstehende nicht nur erwogen und festgesetzt und verfügt zum Guten der Nach-kommen und zum Heil der geliebten Christgläubigen aus seinen Mitteln, die ihm von allen Gütern durch die Großmut Gottes zugestanden waren, den Nutzen zu multi-plizieren und durch einen glücklichen Handel das Vergängliche mit dem Ewigen zu vertauschen, sondern auch seinen Entschluss und seinen Vorsatz ganz real und zu Lebzeiten ausgeführt und in der Pfarrei Wipperfürth direkt an der Grenze zur Graf-schaft Mark an der via Regia gelegen, die nun Kreuzberg genannt wird, eine Kapelle gebaut und errichtet und mit allem, was zum Messopfer und zum Kult und Gottesdienst erfordert wird in schönster Weise ausgestattet, für den Priester ein Wohn-haus gebaut und hat es mit einem Fundus an anliegendem Acker von einigen Hufen versehen und hat schon seit einigen Jahren einen Priester, der von den Kirchlichen Behörden anerkannt ist, eingesetzt in diese Stelle und hat bis zu seinem Tod alle möglichen Notwendigkeiten vorgesehen, so dass sogar für Wachs, für Licht und für Wein und für die weitere Pflege der Kapelle gesorgt ist, und hat mit eigenen Händen die Arbeit unterstützt und hat auf die Frucht aus diesem sehr frommen und hoch zu lobenden Werk gehofft, und ist öfter selbst zur Visitation gefahren und hat gesehen, dass der Zustrom der Christgläubigen, die um genannte Kirche zusammenkommen, zunahm."
Das liest sich gut in flüssigem Kirchenlatein, klingt jedoch ein wenig nach Heiligenlegende. Oder sagen wir gerechter: der Text wirbt um Zustimmung der zuständigen Behörde, des Generalvikars Johann Andreas von Francken-Sierstorpff. Denn 1738, als er verfasst wird, geht es darum, die Genehmigung der Stiftung zu erlangen.
Dieses Ziel hat natürlich auch Heinrich angestrebt und ein Text von ihm, der in Übersetzung im Landeshauptarchiv Koblenz vorliegt, ähnelt dem der Stiftungsexekutoren in vieler Hinsicht: "Ich, Henrich von Mering, … thue hiermit kundt und zu wißen … daß ich nach erhaltener Kunde über die Weitläufigkeit des Kirchsprengels zu Wipperfürth … es oft überdacht und wehmütig darüber geträumet habe, daß sich viele Bekenner des wahren Glaubens in besagter Grafschaft Mark befinden, welche mit dem Propheten Jeremias ausrufen können: "Die Kinder begehrten Brod, aber es fand sich keiner, der es ihnen reichte"." Interessant ist, dass auch in diesem Text keineswegs davon die Rede ist, er selbst habe zu Pferde den Gottesdienst in Wipperfürth besucht und dabei festgestellt, dass die Landleute zu Fuß den Weg nicht bewältigen können! Überhaupt kein persönliches Wort über seine Kindheitserinnerungen, seine Verwandtschaft, seine Landgüter. Wohl aber scheint er fast wörtlich die Klage über die verlassenen Lämmer formuliert zu haben. Darauf folgt der Entschluss: "Da ich dies alles nun reiflich überlegt habe, so habe ich auch schon lange zum Wohl des Nächsten und zum Besten der also verlaßenen Gläubigen, aus den mir von dem allmächtigen Geber aller Güter verliehenen Mitteln einen reichlichen Gewinn zu machen, und das Vergängliche mit den ewigen Gütern zu verwechseln, gedacht und beschlossen: mithin um dies mein Vorhaben wirklich und bey Lebzeiten in Vollzug zu setzen, seit mehreren Jahren angefangen, an dem in der Pfarrei Wipperfürth und an den Märkischen Gränzen bey der Hauptstraße auf Lünscheid zu gelegenen nun Kreuzberg genannten Orte eine Kapelle zu errichten."
Als diese Sätze geschrieben werden, liegt die Grundsteinlegung 1723 und die Kirchweihe 1730 schon in der Vergangenheit. Denn Heinrich fährt fort: "Da ich nun seit mehreren Jahren von diesem heilsamen Institute den davon gehofften Nutzen bewährt gefunden und sehe, daß diese Kapelle von den Christgläubigen sehr häufig besucht wird, und auch glaube, daß derselbe Zufluß sowohl wegen der Beständigkeit der Kapelle, der Residenz des Priesters, als auch wegen der festen Einrichtung des Gottesdienstes und der Geistlichen Lehre in Zukunft noch häufiger seyn werde: wohl wißend, daß alles dieses nicht bestehen könne, wenn nicht beständige und hinreichende Einkünfte dazu bestimmt werden, … deswegen habe ich es für dienlich erachtet … eine Mission zu errichten."
Ein leichtes Verwundern kommt mich an. Hat Heinrich von Mering, als er das Grundstück erwarb, es von Steuern befreite, die Kapelle mit der Priesterwohnung baute und den Missionar Weyerhoff anstellte, das alles zunächst nur als einen Versuch angesehen? Hat er also ernsthaft befürchtet, dass seine Bemühungen umsonst sein könnten, dass die evangeli-sche Konfession, die für ihn eine Häresie war, sich im Bergischen Land ausbreiten würde? Und erst die Annahme der Kapelle durch die umwohnende Bevölkerung veranlasst ihn nach mehreren Jahren, durch eine Stiftung über seinen Tod hinaus für "beständige und hinreichen-de Einkünfte" zu sorgen?
Es ist schade, dass keiner seiner Briefe an den Vikar Heinrich Mohr aufgehoben worden ist. Zu wenig wissen wir von des Stifters Charakter, von seinen Stimmungen, da nur Urkunden-texte erhalten sind. Das einzige, was greifbar ist, ist ein kleiner Zusatz unter der Stiftungs-urkunde seines Paten. Da steht: "Das obgesetzte Capital und ruckständige pensionen (aufgelaufene Zinsen) seindt von dem conventu ordinis S. Francisci strictoris observantiae (von dem Konvent des Ordens des hl. Franziscus strenger Observanz) zu Wipperfurth empfangen, auch ad intentionem piae Memoriae Domini mei Patrui Henrici Mering (auch gemäß der Absicht meines Herrn Paten Henrich Mering frommen Andenkens) durch einen Patrem ex dicto conventu (Priester aus erwähntem Konvent) die Mission und Catechismus erstens zu Engstfeld bey den Herrn von Plettenberg demnegst zu Schweinendahl bei Leundtscheidt gehalten worden wenn aber beyde güter ahn aCatholicos (an Nichtkatholiken) verkaufft worden ist die Mission nicht gehalten und still gestanden."
Oder ähnlich in einer anderen Abschrift, die sich bei den Ausführungsbestimmungen seines Testaments befindet:"… die Mission und Catechismus erstens zu Engstfeldt bey den Herren von Plettenberg, demnechst zu Schweinendhall bey Leundtscheidt im Märki-schen gehalten worden, weylen aber beyde güther an nicht Catholische verkaufft seyn, so ist die Mission stillgestanden, das empfängne Capital undt pensioni aber zum Besten des Klosters verwendet und genossen worden."
Hier schreibt Heinrich von Mering Deutsch, auch wenn er lateinische Termini nicht vermeiden kann. Er ist sichtlich verdrossen. Wenn er je große Pläne hatte, so sind sie verflogen. Sein Interesse richtet sich auf den überschaubaren Rahmen, auf die Heimat, das eigene Vermögen und die Familie. Sein unwirscher Ton gilt zwar direkt den Franziskanern, die das ihnen übergebene Kapital "zum Besten des Klosters verwendet und genossen" haben und an die er nun das "billige Begehren" richtet, dass sie dafür wenigstens den Vertretungs-dienst in seiner neuen Kapelle übernehmen. Ich habe aber den Eindruck, dass diese Ungeduld sich auf die gesamte Situation von Kirche und Staat erstreckt. Fast scheint es, als fürchte er sogar um den Fortbestand des "Mering’schen Altars" im Dom. Ist ihm das linksrheinische Köln nicht sicher genug vor französischen Machtansprüchen? Macht ihm der Bauzustand des Domes Sorgen? Er war ja immer noch unvollendet und in den letzten Jahren hatte man nicht viel repariert. Oder geht es ihm hauptsächlich darum, sich einmal in seinem Leben durchzusetzen? Heinrich von Mering war gewiss kein glänzender Kirchenpolitiker. Aber indem er einen dauerhaften Ort für den katholischen Gottesdienst auf dem Scheveling gründet, tritt er aus dem Schatten seines Onkels.
Seine Stiftung soll unbedingt "weltlich" sein, "laicalis". Er schreibt: "Bey Erledigung dieser Mission durch Abgang, Todt oder Absetzung des Missionars soll nach meinem Tode mein Bruder Friederich, nach dessen Todt aber der älteste der Familie Männlichen Namens, oder bey Mangel dessen auch eine des Weiblichen Geschlechtes einen wohlgebildeten, fähigen und in der Seelsorge erfahrenen und approbierten Geistlichen ernennen. Bey Erlöschung meiner Familie soll das Ernennungs Recht auf den ältesten Capitular Kanonikus der Domkirche zu Kölln und ältesten Scheffen der katholischen Gemeinde zu Wipperfürth erfallen, und im Falle daß deren keiner in dieser Stadt, wegen Ausbreitung der Ketzerei allda befindlich seyn sollte, auf den Herrn Dechant zu St. Aposteln in Kölln übergehen.
10) Sollten diese beyde aber in der Wahl des Missionars nicht übereinstimmen, so soll der After Dechant zu Andernach oder der deservierende Pfarrer die entscheidende Stimme haben, und zwar in einer Frist von sechs Wochen vom Tage der Erledigung an, welcher Dechant ebenfalls in zweifelhaftem Falle, welcher von der Familie der Ernenner seye, oder beym unverhofften Falle, ob die Familie erloschen sey …" und fährt später fort: "Ich will, daß die jetzt bestehenden und zukünftigen Einkünfte und die Mission selbst dem weltlichen Patronats-Rechte unterworfen seyn solle, und dieses Patronats-Recht auf welchen oder welche dasselbe wie oben erfallen wird, soll immer weltlich seyn und bleiben, dergestalt, daß der Missionar zu jederzeit von dem Patron der Familie oder bey dessen Mangel von den im ErnennungsRechte folgenden … ohne Bestimmung der Beweggründe und ohne Dazwischen-kunft der geistlichen Obrigkeit abgesetzt, und ein andern an dessen Stelle ohne Wiederspruch gewählt und ernennt werden möge …"
Und schließlich: "… sollte gegen meine Erwartung der Fall eintreten, dass der Infall des 10. Art. (die Vorbehaltung weltlichen Patronats Rechtes unter welch einem Vorwand und Titul, wogegen ich hiermit feyerlichst protestiere) bestritten werden wolle, und verletzt würde, und also jemand gegen diese meine Verordnung durch apostolische oder durch andere von geist- oder weltlicher Obrigkeit ergangene Befehle eindringe, so erkläre ich einen jeden so eingedrungen der Einkünfte dieser Mission hiermit für verlustig und unfähig, und überlasse dem Herrn Patron die Befugniß und Recht, diese Einkünfte (jedoch nur für die Zeit, wo der Eingedrungene dieselben nicht verlassen würde) mit Berathung des Herrn Generalvikars zu andern geistlichen Zwecken, zur Beförderung der Religion und zum Seelenheil anzu-wenden."
Diese Bestimmungen zeigen, dass er "geist- und weltlicher Obrigkeit" gründlich misstraut. Das linksrheinische Kurköln könnte sich als absolutistischer Staat vom Reich abwenden. Das Bergische Land könnte über einen Erbfall im Fürstenhaus evangelisch werden. Dem soll das Familienoberhaupt Mering widerstehen. Immer soll der Patron das Recht haben, die Stiftung umzuwidmen, falls in der Kapelle auf dem Kreuzberg ein nicht katholischer Pastor eingesetzt wird. Um nichts in der Welt soll ein "Eingedrungener" die Früchte der Stiftung genießen.
Bezeichnenderweise mildern die Exekutoren von Heinrichs Testament diesen Ausbruch des Misstrauens. Den Rückzug ins Private gar, mit der ausdrücklichen Verordnung, dass der Patron der Stiftung in einem solchen Fall das letzte Wort habe, lassen sie ganz aus. Bei ihnen ist es § 11 und lautet: "P.p. quod Deus avertat, ob grassanta haeresia aut aliam vim majorem exercitium Religionis Catholicae in fata Capella cessaret, eo casu et non alias Serio volumus et mandamus, ut reditus et fundatio haec de Consilio et Consensu Revmi Dni Vicarij Generalis ad alium locum hujus Archidiacesis in quo maxime necessitas exigit cum praedictis oneribus alijsque hujus Instrumenti clausulis transferentur." Ich lese: "Wenn, was Gott verhüte, wegen der Ausbreitung der Haeresie oder wegen anderer höherer Gewalt die Ausübung der katholischen Religion in besagter Kapelle aufhörte, in dem Falle und nur in dem wollen und verfügen wir, dass die Einkünfte und diese Stiftung nach Rat und Zu-stimmung des Verehrungswürdigen Herrn Generalvikars an einen andern Ort dieser Erzdiözese verlegt werde, wo am meisten die Notwendigkeit besteht, zusammen mit allen vorerwähnten Lasten und Klauseln dieses Testaments." Heinrichs Paragraph 8 fügt hier an: "damit das Patronats Rechte aufrecht gehalten werde, und diese Verlegung aber soll nur zeitlich seyn, und nur so lange dauren, bis zu Kreuzberg es wieder erlaubt seyn wird Gottesdienst zu halten."
Natürlich kann auch Heinrich von Mering auf die Beratung und Zustimmung des Generalvikars nicht verzichten. Schon zur Ernennung des Missionars und der Einweihung der Kapelle musste der Stifter sich seiner bedienen. Johann Andreas von Francken-Sierstorpff hat seit 1730 Heinrichs Vorhaben freundlich begleitet. Er bestätigt auch am 15. Juli 1738 die Fassung der Exekutoren. Unter seinen direkten Nachfolgern hat es keine Schwierigkeiten wegen der Anerkennung der Stiftung gegeben.
Dass das Werk Bestand hatte, lag vor allem an der Person des ersten Missionars, des D. Johannes Weyerhoff oder Wegerhoff. Er lebte bis 1762 und versah seinen Dienst ganz in Heinrichs Sinn. Vielleicht war er ein Schüler des Domherrn gewesen. Heinrich konnte sich seiner Missionsstation bei seinen Besuchen erfreuen. Man könnte fast sagen, er merkte selbst etwas von dem Segen der Gebete in seiner Kapelle. 1724 kehrte sein Bruder Johann Friedrich aus dem Militärdienst ins Rheinland zurück. Da dessen erste Frau inzwischen verstorben war, konnte Heinrich aufs Neue für ihn werben. Die Tochter des mit Heinrich befreundeten Schöffen Matthias Rübsam aus Andernach war eine gute Partie. Und Heinrich erlebte die Genugtuung, dass in Andernach mehrere gesunde Söhne von Mering geboren wurden. Nach Heinrichs Tod übernahm dieser Bruder Johann Friedrich gern das Patronat über Kreutzberg.
Friedrichs Sohn, der kölnische Hofrat Heinrich Matthias von Mering, war der nächste Senior der Familie. Nach allem, was ich weiß, pflegte dieser Neffe die Tradition. Aber Opladen erwähnt bereits unter ihm Probleme bei der Neubesetzung der Missionsstelle. Nach Weyerhoffs Tod folgten Vertretungen. Erst 1768 erteilte der Patron dem Deservitor J. Peter Schlösser die Kollation und erst 1769 wurde das Pfarrhaus am Kreuzberg wieder dauerhaft bezogen. Das heißt, schon in der nächsten Generation zeigte sich, dass auch das Patronat Schwächen hat. Trotzdem ist es Heinrich von Mering gelungen, mit seiner Stiftung etwas zu schaffen, was über seine Lebenszeit hinaus Bestand hatte. Jedenfalls hat er als Einzelner die evangelische Synode deutlich überholt. Erst 1788 errangen die Lutherischen die Gestattung öffentlicher Religionsübung und erst 1793 wurde ihre Kirche am Wipperfürther Marktplatz eingeweiht.
Am Ende meiner nachdenklichen Spurensuche empfinde ich hauptsächlich die Defizite. Was ich nicht weiß, ist wieder einmal so viel mehr, als was ich weiß. Die Muse Clio mit ihrem Griffel schreibt oft Rätselhaftes. Trotzdem ist es schön, ihr zuzusehen. Und das können wir, wenn wir die Mauerreste der kleinen Saalkirche betrachten, an denen sich Heinrichs Bauwillen ablesen lässt. Die Marmortafel mit der Konsekrationsurkunde von 1730 ist in die 1867 bis 1869 erbaute heutige Pfarrkirche übersiedelt. Sie erinnert sicher an einen glücklichen Tag im schwierigen Leben des Heinrich von Mering. Und wenn die kleine Glocke von 1723 mit den Wappen der Familien Linden und Mering läutet, dann verleiht sie der Muse der Geschichte sogar eine Stimme! Der Stein mit dem Mering’schen Wappen ist wahrscheinlich Zutat eines späteren Patrons. Die beiden merkwürdigen Adler rechts und links sehen nicht nach Heinrichs Zeit aus. Aber auch dieser Wappenstein unterstreicht Heinrichs "weltliche" Absicht.
Heinrich von Mering starb 1735 in Köln und wurde vor dem "Mering’schen Altar" mit dem Gerokreuz im Dom bestattet. Kein Epitaph kündet dort von ihm. Sein Epitaph sind die Messen, gelesen auf dem Kreuzberg bei Wipperfürth.