Nach dem Großen Brockhaus von 1979 ist ein Heroldsamt in Monarchien eine Behörde zur Aufsicht über das Adels- und Wappenrecht sowie zur Führung der Adelsmatrikel.
Am 18. Januar 1826 hatte der Preußische König in einer "Allerhöchsten Cabinets-Ordre" die "Wiederherstellung der Adelsrechte" in den linksrheinischen Preußischen Provinzen verfügt, was in der Gesetz-Sammlung für 1826 unter Nr. 3 auf Seite 17 nachzulesen ist. Damit wollte er wohl um das Vertrauen seiner zum Teil neuen Untertanen werben. Die Adeligen unter ihnen hatten nämlich in der "Fränkischen Republik" zwischen 1797 und 1804 ihre Adelsrechte verloren. Nun sollte alles wieder ins Lot kommen.
Ob es sich bei diesen "Adelsrechten" um reale Rechte, wie z. B. Grundbesitz, Erbschaftsansprüche, Steuervorteile, Privilegien handelte, oder mehr um die Ehre eines Titels, kann ich nicht sagen. Vielleicht geht es aus dem Text der Ordre hervor, den ich noch nicht gesehen habe. Einen "Bedarf" für eine solche Wiederherstellung der Adelsrechte muß es aber gegeben haben. Während mein Großonkel Heinrich Mering nur darauf hinweist, daß er sich ja nichts zu schulden habe kommen lassen, als er das "von" verlor, behauptet mein Urgroßvater Peter Joseph Mering, daß er seinen Nachkommen für den Fall der Hilfsbedürftigkeit den Anspruch auf Pflege in der Mering'schen Familienstiftung in Andernach sichern wolle. Selbst wenn das ein Vorwand sein sollte, ist das Argument interessant.
Gleich 1827 beantragt Friedrich Everhard von Mering, ein damals verarmter 28jähriger Mann, die Aufnahme in das Verzeichnis des Rheinischen Adels. Diesem Antrag wird sofort stattgegeben. Sein Vater Everhard Oswald von Mering ist in Köln als vermögender Kunstsammler noch wohlbezeugt. Er hat wie ein Patrizier gelebt und eine adelige Gutsbesitzerstochter, Elisabeth von Wecus zur Mühlen, geheiratet, deren schöner Wohnsitz auf den Sohn überging. Der Großvater Mathias Heinrich von Mering war churkölnischer Hofrat, Droste, Geheimrat und Herr zu Herl gewesen. Niemand konnte bei dieser Abstammung und diesem Lebensstil an der Zugehörigkeit zum Rheinischen Adelsstand zweifeln. Der Freiherrntitel allerdings, den Friedrich Everhard auch noch gern gehabt hätte, wird ihm nach längerer Diskussion abgeschlagen. Die Begründung des Königlichen Heroldsamtes lautet, daß der Großvater Mathias Heinrich niemals in ein freiherrliches Verzeichnis eingetragen und sein Sohn nicht zum Freiherrn ernannt worden sei. Diese Entscheidung wird 1835 getroffen, und sie bestimmt von nun an alle Stellungnahmen des Heroldsamtes. Aber der Familienzweig der Mathias-Heinrich-Nachkommen kehrt sich nicht daran.. Noch 1912 führt einer der Enkel, der Reserveleutnant Eugen von Mering, "nach Gewohnheitsrecht" den Freiherrntitel, und bei einer Beförderung fragt sein Regimentskommandant im Heroldsamt an, ob auf das Patent des jungen Adeligen der Freiherrntitel gehöre oder nicht. Worauf wieder einmal "Nein" gesagt wird, wie schon Eugens Vater, dem Medizinalrat und Professor der Medizin in Halle Joseph Justus. Der bekannte Internist und Pharmakologe ist nämlich ganz erstaunt, als man ihm "vertraulich" im Innenministerium mitteilt, daß er wegen dieser Titelanmaßung nicht zum Geheimrat ernannt werden könne. Und läßt sich weiterhin Freiherr nennen, wie sein Sohn Eugen später nachweist.
So wie dieser gebildete und zum Teil recht wohlhabende Familienzweig den Freiherrntitel, so führt der arme und hart arbeitende Zweig unbekümmert das "von", sobald die Fränkische Republik wieder verschwunden ist. Sogar uneheliche Kinder fühlen sich adelig. Das weiß ich aus einer Andernacher Chronik, die sich offensichtlich auf Familienklatsch stützt und klagend berichtet: "Ob er (gemeint ist Franz Joseph Caspar von Mering, mein Urur-Urgroßvater) die Geliebte schließlich heiratete oder seine Kinder anerkannte, ist unbekannt; sie führten aber alle den Namen v. Mering." Und das ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Das Königliche Heroldsamt hatte eine Menge Schreiberei wegen dieser Familie.
Wer den Freiherrntitel oder den adeligen Namen einfach führt, ohne sich um seine Papiere zu kümmern, hat's leicht. Der Stuckateur Heinrich Mering war nicht von dieser Sorte. Vielleicht deshalb ist er einer der Merings, die es zu etwas brachten. Als seine Tante, die Magd Susanna Mering, mit 46 Jahren noch einen unehelichen Sohn bekam, den sie Carl Franz nannte, unterschrieb ihr Zwillingsbruder, der Schlosser Friedrich, am 7. 6. 1858 als Zeuge mit "von Mering". Heinrich schrieb rechtschaffen: "Heinrich Mering", wie es in seiner Geburtsurkunde aus Saarlouis vom 26. 6. 1830 stand. Doch ist es seiner Initiative zu danken, wenn meine Nichten und Neffen sich heute fröhlich "von Mering" nennen können, ohne daß ein Königliches Heroldsamt oder ein bundesdeutsches Standesamt dagegen etwas einwenden könnte.
Heinrich schrieb nämlich 1891 ein "Immediat-Gesuch" an den Preußischen König und Deutschen Kaiser Wilhelm II., daß er nach dem "Gesetz zur Wiederherstellung der Adelsrechte in den am linken Rheinufer belegenen Preußischen Provinzen" eine Adelsmatrikel beantrage, (über welchen Ausdruck die gelehrten Juristen im Heroldsamt kopfschüttelnd schreiben: "...soll wohl heißen: Adelsattest...") und fügt eine Reihe Urkunden bei, die beweisen sollen, daß er ein echter von Mering ist. Er sendet auch schleunig weitere Urkunden, als sie angefordert werden. Die Diskussion im Königlichen Heroldsamt wird ihm verborgen geblieben sein. Er merkt nur, daß er lange auf Antwort warten muß.
Das hat zwei Gründe. Der eine ist sachlicher Art. Der Beweis, daß Heinrichs Vater, der Steueraufseher Franz Joseph Mering in Koblenz, der eheliche Sohn des dänischen Feldwebels Franz Joseph Caspar Mering ist, ist wohl geführt, aber daß dieser Franz Joseph Caspar ein ehelicher Sohn des Franz Caspar von Mering in Kastel bei Mainz ist, kann nur wahrscheinlich gemacht werden, nicht genau bewiesen. Heinrich stützt sich auf die vom Standesamt Mainz 1799 zur Hochzeit seines Großvaters in Kirchheimbolanden ausgestellte Nachschrift. Das Kirchenbuch von Kastel bei Mainz, in dem die Geburt und Taufe bezeugt ist, war ihm offenbar nicht zugänglich. Auch die Angabe des Genealogen Fahne, die mich seinerzeit so stutzig machte, daß Franz Caspar von Mering von seiner Frau Elisabeth Kirchner kinderlos geblieben sei, wird diskutiert. Doch fegt das Amt diese Angabe vom Tisch mit der Behauptung, daß Fahne ein sehr unzuverlässiger Genealoge sei und der Nachschrift der Geburtsurkunde von 1799 mehr Glaubwürdigkeit zukomme. Mit dieser Beurteilung der Quellenlage gilt dann aber die Zugehörigkeit zur Nachkommenschaft des Andernacher Zolldirektors und churkölnischen Rates sowie kaiserlichen Hauptmanns Johann Friedrich von Mering, dem Vater des Kastelers, als nachgewiesen.
Der zweite Grund für die lange Diskussion im Heroldsamt ist gesellschaftlicher Art. Der Oberpräsident der Rheinprovinz, über den das Königliche Heroldsamt Erkundungen über die "Familien- und Vermögensverhältnisse" der Merings einholt, hält die Anerkennung des Adels für "nicht wünschenswert". Ein Regierungsrath Dr. Adler hat die Forschungen seiner Unterbeamten - die übrigens meinen Urgroßvater Peter Joseph Mering in Köln gar nicht gefunden haben! - in einem Bericht zusammengefaßt. Der Bericht klingt lustlos: alles kleine Leute, diese Merings, arme Schneider, Schlosser usw., einzig der Antragsteller selbst ist ein "wohlachtbarer und nicht unvermögender Mann". Bezeichnend ist, daß der Verwandtschaftsgrad der ihm bekannt gewordenen Merings den Dr. Adler überhaupt nicht interessiert. Er ist kein Familienforscher. Er tut seine Pflicht und ist bürgerlich.
Die Juristen und Genealogen im Heroldsamt beraten. Gerne wüßte ich ihre Herkunft, aber die Unterschriften sind Abkürzungen, z.T. unleserlich. Gefühlsmäßig verstehen sie den Oberpräsidenten der Rheinprovinz. Aber ihr Horizont hat sich in ihrer Beschäftigung mit dem hohen und niedrigen Adel geweitet. Wie mancher Adlige ist des Adels nicht wert - und wird doch nie das "von" verlieren! Freilich stellt sich "die allgemein gehaltene Frage, ob es bei den heutigen socialen Verhältnissen dem Gesammt-Adel noch ersprießlich ist, den Adel unbeschränkt vererben zu lassen...! M.E. gehört Antragsteller einem adeligen Geschlechte an und ist durch ungünstige Fügung nur verhindert, seine Rechte auszuüben. Da die Ausübung dieser fraglichen Rechte nicht auf gewisse Gesellschaftsklassen beschränkt ist, vermag ich ... auch auf eine ausnahmsweise Behandlung nicht zu stimmen, habe auch den Berichtsentwurf in einzelnen Punkten ergänzt. E."
"E." hat den Berichtsentwurf gründlich durchgearbeitet, viel gestrichen und am Rand neu formuliert. "...ausnahmsweise Behandlung", wie von einem Referenten vorgeschlagen, würde für Heinrich Mering einen Gnadenakt bedeuten, der für seine Verwandten dann nicht gälte. Hätte dieser v. Ernitz oder v. Erwitz, wie ich seinen Namen unter dem Schreiben an meinen Urgroßvater lese, sich mit seiner Ablehnung "ausnahmsweiser Behandlung" nicht durchgesetzt, wir hießen heute Mering ohne von. Aber er setzt sich durch. Soviel ich sehe, ist er ziemlich ranghoch im Kollegium der Referenten. Seine Handschrift ist immer unverkennbar: sauber, zart und schwer leserlich. Der Chef des Heroldsamtes hat einen Sekretär, der in Schnellschrift sein Diktat aufnimmt: Schließe mich an! Der Bericht wird dem König und Kaiser vorgelegt, der gemäß der Vorlage seines Heroldsamtes entscheidet: "Allerhöchste Cabinets-Ordre d.d.Marmor-Palais 30. August 1892 auf unsern Bericht vom 19. Juli ejsd.".... "den Nachweis der adeligen Abstammung des Stuckateurs Heinrich von Mering zu Coblenz ... als geführt anzuerkennen und demgemäß dem Genannten zu gestatten, sich des Adels-Prädikats ....auch ferner bedienen zu dürfen....."
Mein Urgroßvater Peter Joseph in Köln hört davon, sieht vielleicht auch die köstliche Urkunde bei einem Besuch beim Bruder in Koblenz. Und schreibt nun ebenfalls an das Königliche Heroldsamt. Er braucht nur noch nachzuweisen, daß er auch ein Sohn des Steueraufsehers in Koblenz ist, um das Recht des Adelsprädikats für alle seine Brüder und deren eheliche Nachkommen zu erhalten, allerdings nur "im Mannesstamm"!
Was diese Einschränkung sachlich bedeutet, beweist die Zusatzakte "von Mering, Adelsanmaßung" im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, wo die erhaltenen Papiere des Heroldsamtes verwaltet werden. Die Enkel von Susanna Mering müssen sich für alle Zeit verpflichten, kein Adelsprädikat zu verwenden. Dabei ist Susanna ein eheliches Kind des dänischen Feldwebels Franz Joseph Caspar ebenso gut wie der brave Steueraufseher Franz Joseph Mering in Koblenz! Aber ihr Sohn ist nicht im "Mannesstamm" ein Mering, und ehelich ist er auch nicht! Da ist das Königliche Heroldsamt ganz unerbittlich. Die ehelichen Kinder des Schneiders, der sich Carl Franz von Mering nach seiner Mutter Susanna nannte, und seiner Frau Cäcilie Doublet heißen Mering - und ihre Nachkommen bis zum heutigen Tag! Wir aber sind "von Mering", nicht einmal so sehr dank der Initiative unseres Urgroßonkels Heinrich von Mering, der für sein blühendes Geschäft und sein behagliches Bürgerleben 1891 noch ein Adelsprädikat haben wollte, sondern wegen des Mannesstamms!