1933 - das ist jetzt 90 Jahre her. Zwei Studenten von 23 Jahren schreiben sich zweimal die Woche Briefe oder Postkarten, weil sie sich lieben und sich nacheinander sehnen - aber getrennt leben müssen aus Mangel an Geld. Und im Januar 1933 findet die sogenannte "Machtergreifung" statt - Hitler wird Reichskanzler.
Die beiden jungen Menschen äußern sich zunächst gar nicht dazu. Ihre Briefe sind keine Statements, sondern die beiden erzählen sich, was sie erleben und planen gegenseitige Besuche, die möglichst wenig kosten, indem immer die Eltern des jeweils anderen Quartier geben.
Eberhard wird zuerst misstrauisch: er hört von Unrecht gegen Juden und will das nicht als die"Späne", die beim "Hobeln" fallen, hinnehmen. Auch ahnt er bald die "Gleichschaltung " seiner Bibelkreise mit der HJ, weil er jugendbewegtes Singen und Wandern auch mit seinen Gymnasiasten betreibt. Aber gänzlich das Vertrauen in die NSDAP verliert er, als er die ihm bekannten jüdischen Familien im Juni besucht.
Ruth hofft noch eine ganze Weile, dass die "Bewegung" auch der Kirche nützen könne. Sie nimmt dem "Führer" seine frommen Reden ab. Und sie wirft dem Hessischen Prinzen, der als Oberpräsident von Hessen Kassel mit Göring im Auto unter den Fenstern ihrer Wohnung vorbeifährt, ihren Margeritenkranz vom Pfingsttanz zu Füßen. Nicht lange mehr - und auch sie wendet sich ab von der "Bewegung", so sehr auch ihr Vater und ihr Schwiegervater Gutes von der neuen Regierung erwarten.